Licht, lebendes   Was ich in diesen Gesichten schaue und erfahre, behalte ich lange im Gedächtnis, so daß ich, wenn ich dies Licht sehe und höre, ich mich erinnere und zugleich sehe, höre, weiß und gleichsam in einem Augenblicke, was ich weiß, lerne. Was ich aber nicht schaue, das weiß ich nicht, denn ich bin ungelehrt, man hat mich nur unterwiesen, in aller Einfalt die Buchstaben zu lesen. Und was ich in meiner Vision niederschreibe, das sehe und höre ich. Ich schreibe auch keine anderen Worte als die, welche ich höre, nieder und bringe sie in ungefeilten lateinischen Worten vor, wie ich sie eben in der Vision höre; denn ich lerne in den Gesichten nicht, wie ein Philosoph zu schreiben, auch sind jene Worte nicht wie Worte, die von Menschenmund ertönen, es ist vielmehr wie eine blitzende Flamme und wie eine Wolke, die sich in reiner Luft bewegt.

Die Gestalt dieses Lichtes vermag ich in keiner Weise zu erkennen, wie ich ja auch nicht voll in die Sonnenscheibe schauen kann. In diesem Lichte sehe ich zuweilen, freilich nicht oft, ein anderes Licht, das mir als »das lebende Licht« bezeichnet wird; wann und wie ich es sehe, kann ich nicht angeben; solange ich es aber schaue, wird jede Traurigkeit und Beängstigung von mir genommen, so daß ich dann wie ein einfältiges Jungmädchen und nicht wie eine alte Frau bin.

Infolge meiner steten Krankheit, an der ich leide, ist es mir manchmal zuwider, die Worte und die Gesichte, die mir gezeigt werden, vorzubringen; wenn sie aber meine Seele sieht und kostet, dann werde ich, wie ich soeben gesagt, völlig geändert und vergesse allen Schmerz und alle Wirrnis. Und was ich in der Vision sehe und höre, das schöpft meine Seele wie aus einem Quell, doch bleibt er dabei voll und unerschöpft. - (bin)

Licht Lebendigkeit


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