Lesestoff, erbaulicher  Was mich heute am meisten an der Prostitution frappiert, ist ihr religiöser Charakter: das Zeremoniell des Zubringens oder des Empfanges, das Feststehende der Ausstattung, die methodische Entkleidung, das Aushändigen des Geschenks, der Ritus der Waschungen und die konventionelle Sprechweise der Prostituierten, mechanische Worte, die zu einem durch die Gewohnheit so geheiligten Zweck ausgesprochen werden, daß man sie nicht einmal mehr als »berechnet« kennzeichnen kann, sie klingen wie von Ewigkeit her; das erregt mich ebenso wie die Hochzeitsriten gewisser Volkstumsformen, zweifellos weil sich in ihnen das gleiche altehrwürdige, primitive Element findet.

Alles das muß, zumindest in einem schwachen Grade, mit dem Einfluß verknüpft sein, den gewisse erbauliche Lesestoffe auf mich ausgeübt haben.

Die illustrierten Bücher, die ich mir als Halbwüchsiger heimlich zu uneingestehbaren Zwecken aus der Bibliothek meines Vaters holte, behandelten gewöhnlich antike Themen, wie etwa Aphrodite von Pierre Louys, Thais von Anatole France. Die Lektüre des Quo vadis von Sienkiewicz hatte mich ebenfalls sehr beeindruckt, besonders die Stelle, wo eine römische Orgie beschrieben wird.

Ebenso erinnere ich mich an eine farbige Abbildung in einer Ausgabe der »Märchen« von Richepin. Darauf sah man eine nackte Zauberin, mit weißer Haut und schwarzen Haaren, mit hartem Gesicht, starken Hüften und schönen Schenkeln, neben einem Sofa voll rohen, blutigen Fleisches stehen, auf welches sie - zum Zwecke einer magischen Handlung - sich selbst hinlegen oder jemand anderen hinlegen lassen sollte. Vielleicht muß ich in diesem Bilde den Ursprung meiner Vorstellung erblicken, Prostitution und Prophetie seien verwandt?  - (leiris3)

 

Erbauungsliteratur Lesestoff

 

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