eseobjekt
Leserin, nun wirst du gelesen. Dein Körper wird einer systematischen Lektüre
unterzogen, vermittelt durch die Informationskanäle der Tast-, Gesichts- und
Geruchssinne, nicht ohne Mitwirkung der Geschmackspapillen. Auch das Gehör nimmt
teil, aufmerksam deinen Seufzern und Juchzern folgend. Aber nicht nur dein Körper
ist Leseobjekt: Der Körper zählt nur als Teil eines Ganzen aus komplizierten
Elementen, die nicht alle sichtbar und nicht alle zugegen sind, aber in sichtbaren
und spontanen Begebenheiten zutage treten: im Mattwerden deiner Augen, in deinem
Lachen, in deinen Worten, in der Art, wie du dein Haar zusammenbündelst und
ausbreitest, wie du Initiative ergreifst und dich zurückziehst, in allen Zeichen
auf der Grenzlinie zwischen dir und den Gepflogenheiten und den Gebräuchen und
dem Gedächtnis und der Vorgeschichte und der Mode, in allen Kodes und Zeichen-Systemen, in all den armseligen Alphabeten, durch welche ein menschliches
Wesen in gewissen Momenten ein anderes menschliches Wesen zu lesen glaubt.
- Italo Calvino, Wenn ein Reisender
in einer Winternacht. München 2007 (Zuerst 1979)
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