«Ja», sagte Stadelmann vom Ofen her, «mit dem Ding habe ich große Erfolge bei meinen Patienten. Der hypnotische Schlaf tritt im Nu ein. Soll ich es Ihnen einmal zeigen? Da —sehen Sie, wie das anschnurrt und flimmert? Da kann auch der stärkste Wille nicht widerstehen —»
Wie Vögel, wie die Vögel, dachte ich, direkt unheimlich! Ich dachte an die Geschichte, die er mir einmal von einem Patienten erzählte, einem sehr reichen früheren Zeitungsverleger, der eines Morgens in der Redaktion ganz plötzlich wie ein Hahn zu krähen anfing. Kein anderes Wort als «Kikeriki» sei seither aus dem Mund dieses Mannes gekommen; man müsse ihm Körner auf den Fußboden seines Zimmers streuen, die lese er eins nach dem anderen mit spitzen Lippen auf wie mit einem Schnabel, wobei er die Arme seitlich ausgestreckt halte, Kniebeugen mache und Kikeriki schreie...
Wie schon gesagt, hatte Stadelmann seine höchstpersönlichen Theorien über alles. Geisteskrankheit, fand er, gebe es nur bedingt; er selbst halte es mit den mittelalterlichen Ärzten und den großen ägyptischen Heilern, die den geplagten Kopf eines sogenannten Irren als den Aufenthaltsort böser Geister ansahen und ihre Kuren auf deren Austreibung abstellten. Vom Standpunkt der heutigen «aufgeklärten» Ärzte oder Forscher war Dr. Stadelmann gewiß ein «abergläubischer» Arzt und Forscher. Andererseits aber waren wir alle für ihn nur mehr oder weniger seltsame, kluge, dumme oder lächerliche Vögel.
«Halten Sie mich auch für einen Vogel?» fragte ich ihn einmal.
«Natürlich, natürlich! Alle seid Ihr Vögel, alle, alle, alle», lachte er
unheimlich schrill, wobei seine Stimme sich überschlug und er plötzlich selber
wie ein Vogel aussah. - George Grosz, Ein kleines Ja und ein
großes Nein. Sein Leben von ihm selbst erzählt. Reinbek bei Hamburg 1986, zuerst
1955
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