eistungsfähigkeit Es
beeindruckt mich nicht, wenn man von einem Menschen, den ich für einen Narren
oder Ignoranten halte, sagt, er übertreffe einen Durchschnittsmenschen oftmals
an Leistungsfähigkeit. Epileptiker entwickeln während eines Anfalls übermenschliche
Stärke; Paranoiker ziehen Schlußfolgerungen, zu denen nur wenige normale Menschen
imstande sind; einem religiösen Wahn Verfallene scharen solche Mengen von Gläubigen
um sich, wie nur wenige Demagogen es (falls überhaupt) zustande bringen, und
das mit einer inneren Überzeugungskraft, die den Demagogen für ihre Anhänger
fehlt. All das beweist nur, daß der Wahnsinn Wahnsinn ist. -
Fernando Pessoa, Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares. Zürich
2003
Leistungsfähigkeit (2) In den fünfzehn bis zwanzig Minuten, die Williams nun auf dem Plan war, hatte er, sogar für seine eigenen hohen Ansprüche, Beträchtliches geleistet, sozusagen »ein glänzendes Geschäft« gemacht. In zwei Stockwerken, nämlich dem Keller und dem Erdgeschoss, hatte er mit den Bewohnern »aufgeräumt«. Doch blieben wenigstens noch zwei Stockwerke übrig, in denen Williams, trotz seiner Unkenntnis der Familienverhältnisse, noch einige Hälse vermutete. Den Raub hatte er so restlos eingesackt, dass eine etwaige Nachlese auch nicht mehr das Geringste ergeben hätte. Aber die Hälse - die Hälse - , da eröffneten sich seinem Tatendurst vielleicht noch Aussichten.
Bei diesem Gedanken setzte Mr. Williams, blutgierig wie ein Raubtier, die
ganzen Früchte seiner nächtlichen Arbeit und sein Leben dazu aufs Spiel. Hätte
der Mörder in diesem Augenblick das offene Fenster oben gesehen, in dem der
Reisende sich eben zum Abstieg anschickte, hätte er die Schnelligkeit beobachtet,
mit der jener auf Leben und Tod gearbeitet, und die furchtbare Erregung vorausgeahnt,
der binnen neunzig Sekunden der Einwohnerschaft dieses stark bevölkerten Stadtteils
bemächtigen würde, er wäre wie ein Wahnsinniger, dem die Verfolger auf den Fersen
sind, zur Haustür gestürzt. Dieser Ausweg war bis jetzt noch frei, und mit seiner
Beute über einhundert Pfund betragenden Beute in der Tasche hätte er in klug
gewählter Verkleidung den Roman seines abscheulichen Lebens fortsetzen können.
Freilich wäre dazu erforderlich gewesen, dass er noch in dieser selben Nacht
seine Augenbrauen geschwärzt, sein gelbes Haar abrasiert und in der Morgenfrühe
durch eine dunkle Perücke ersetzt hätte, die ihm im Verein mit einem unauffällig
schlichten Anzug das Aussehen eines biederen Bürgers verliehen und den Argwohn
zudringlicher Polizeibeamten zerstreut haben würde. So wäre es ihm möglich gewesen,
sich auf irgendeinem Fahrzeug nach einem beliebigen Hafen der 2400 englische
Meilen langen Küste Amerikas einzuschiffen und dort noch fünfzig Jahre lang
mit Muße seiner Reue zu leben, ja, sogar im Ansehen der Wohlanständigkeit zu
sterben. Hätte er es dagegen vorgezogen, sich im öffentlichen Leben zu betätigen,
so wäre es bei seiner Schlauheit, Kühnheit und Gewissenlosigkeit in einem Lande,
das den Fremden durch den einfachen Akt der Naturalisation umgehend in den Schoß
der Nation aufnimmt, für Williams nicht ausgeschlossen gewesen, den Präsidentensitz
zu erwerben, worauf man ihm nach seinem Tode ein Denkmal errichtet und eine
dreibändige Biografie von ihm herausgegeben hätte. - (qinc)
Leistungsfähigkeit (3) Aber
seine Firma hat doch auch Erfahrung in der Analyse der Frauenarbeit. Will er
allgemein vorausschicken. Die weibliche Psüche, das kann er sagen. Aber auch
die Lunge der Frau! 20 Prozent kleiner! Frauenblut: 30 Prozent weniger rote
Körperchen, das Becken der Frau, die Bauchmuskulatur, er wird darauf zu sprechen
kommen bei den schweren Lasten, zuerst und zuletzt aber die Psüüüüche. 71,9
Prozent bei Blomich sind weiblich, bei Gott, es war Zeit für die Untersuchung.
Also konkret-konkret, wie sagt doch schon der Dichter: die Wahrheit ist konkret!
Also ad 1 produziert die Muskelarbeit Gift, Abbauprodukte des Kohlehydratstoffwechsels,
die sattsam bekannte Milchsäure, und die Frau mit kleiner Lunge, weniger RotkÖrperchen,
also weniger Sauerstoff,
muß alle 2 Stunden 3-5 Minuten an die Frischluft, dann steigt die Leistung
gleich wieder an. Ad 2 ist die Frau nach der Schrecksekunde um 25 Prozent später
reaktionsfähig, also weg mit ihr von Gefahrenstellen. Ad 3 des Beckens wegen,
der Muskulatur wegen, weg mit ihr vom Hercules, vom Kühl- und Wärmetisch, von
schweren Trögen, hat seine Firma doch fast nur noch in Finnland und bei Blomich
die Frau am Herkules gefunden: Unterleibsstörungen, Indispositionen, häufiger
Wechsel, es rentiert sich einfach nicht. Ad 4: heraus mit der Frau aus der Eintafelei,
senkt doch Lärm ihre Leistung um 17 bis 22 Prozent, beim Mann um 4 Prozent,
Leistungsverlust auf den Lohn bezogen: u Prozent. Ad 5 die Keimabtötung durch
Ultra-Violett Bestrahlung der Raumluft: ist umzutaufen, weil Wörter wie Bestrahlung
und Keimabtötung unterschwellig Furcht und Abwehrreaktionen auslösen, die zu
Leistungsabfall führen, nennt doch die Lampen Air-Cleaner! oder macht sie ganz
unsichtbar! Ad 6 die Attraktion einer Süßwarenfabrik für die Frau: a) helle
Gebäude Wände schwachblau mit Bildern voll Blumen die Fenster alle Sockel lindgrün
und etwas Musik: Konzessionen an die weibliche Psüche machen sich rasch-rasch
bezahlt am Band an der Maschine kann die Teilarbeit beliebig gesteigert werden
ist nur das Milieu freundlich ist der Frau die Monotonie schon egal. Aaber!
bei Beleuchtung Schlagschatten vermeiden! b) der Lebenswandel der Arbeiterin
muß anständig sein draußen gilt sie für die Firma ist aber der Lebenswandel
der Arbeiterinnen schlecht will eine Anständige nicht zu denen gehören also
kommt sie nicht also ist eine mit häufigem Männerwechsel ungeachtet ihrer Leistung
für die Firma unerträglich. Ad 7 die Steharbeit schärft zwar die Arbeitsspannung
steigert aber den Nähraufwand um 12 Prozent die Beinleiden wie Krampfadern also
besser sitzt die Frau. Ad 8 Die Kinder wenn vorhanden soll die Firma übernehmen
von der Frau am Morgen wenn sie sie bringt sind die geschlossen m den nächsten
Öffentlichen Kindergarten oder einen eigenen zu fuhren was der Frau Kraft spart
steigert die Leistung. Ad 9 pro 150 Frauen eine Fürsorgerin ausgebildet als
Sanitäterin mal probeweise um z;u sehen ob die Ausfalltage sinken gegen früher
mal ganz abgesehen vom sittlich-moralischen Wert einer solchen Einrichtung.
Ad 10 der Faktor Psühüche generell im Lebensablauf der Frau in der Süßwarenfarbik:
sie ist zwar von 16 bis 30 geschickter und mit 30 sind ihre Finger auf dem Höhepunkt
aber von 16 bis 30 hofft sie ist also unruhig hat nicht den Ernst für die Arbeit
begreift sie erst wenn die Aussichtslosigkeit zunimmt die Einsicht daß sie sagen
wir nicht zum Heiraten kommt oder ihr Mann nie verdienen wird was sie braucht
das ist jetzt die Chance des Betriebs der ihre Arbeit schätzt die Bedienung
von Packmaschinen oder Pralinenfertigung oder das Schminken von Marzipanartikeln
sind zu loben als hochhandwerkliche Leistungen denn wer die Frau lobt
vervielfacht ihre Leistung wird sie steigern wenn alle Abteilungen ausschließlich
mit männlichen Leitern und Vorarbeitern durchsetzt sind die keine Frau bevorzugen
und Mißgunst und Neid nicht wachsen lassen Streitereien schlichten und selber
eine saubere aber durchaus männliche Haltung zeigen weil festgestellt ist daß
Schwärmerei für einen Vorgesetzten einer weiblichen Abteilung zu fabelhaften
Leistungen verhilft und der Frau Befriedigung in der Arbeit gibt durch sittliche
Impulse für die Ist sie empfänglich als Frau will sie ihr Seelisches geweckt
sehen in einer menschlichen Beziehung dann ist ihre Leistung ebenbürtig der
Leistung des Mannes. - Martin Walser, Das Einhorn. Frankfurt am Main
1966
Leistungsfähigkeit (4) Insekten können sich von nahezu allem ernähren, was die Natur hervorbringt, einschließlich so ausgefallener Stoffe wie Pinselborsten, Flaschenkorken, Tabak, Pfeffer und Opium. Sie benutzen die Sonnenstrahlen zur Orientierung und wissen den Lauf der Sonne im voraus. Sie sehen im ultravioletten Licht, legen Pilzkulturen an und halten sich »Sklaven«. Sie hören Ultraschall, sie ertragen eisige Kalte und sengende Hitze von 50 Grad Celsius und mehr.
Insekten leben unterirdisch und in der Luft. Wie ein Bericht besagt, hat
man eine fliegende Termite einmal in fast 6000 Meter Höhe in einer Falle gefangen,
die an einem Flugzeug befestigt war. Insekten informieren sich gegenseitig nicht
nur über Nahrungsquellen in weiter Entfernung, sondern auch über deren Qualität,
sie fliegen ohne Unterbrechung viele hundert Kilometer weit und können ihre
Flügel bis zu rund tausendmal in der Sekunde bewegen. Sie sind Meister im Hoch-
und Weitsprung und schleppen Lasten vom Vielfachen des eigenen Körpergewichts.
Eine Ameise kann ein Steinchen stemmen, das fünfzigmal so schwer ist wie sie
selbst, und könnte ein Mensch wie eine Heuschrecke springen, so käme er problemlos
auf Sprungweiten um die dreißig Meter. Auch ganz Sonderbares zeichnet die Insekten
aus, so die Tatsache, daß einige von ihnen Hörorgane an den Beinen haben und
mit den Füßen schmecken können. - Theo Löbsack, Das unheimliche Heer. Insekten erobern die
Erde. München 1991
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