ehrjahre  Um das Jahr 1859 wurde der Mann, der zu Schrecken und Ruhm Billy the Kid werden sollte, im Souterrain einer New Yorker Mietskaserne geboren. Es heißt, daß der erschöpfte Schoß einer Irin ihn gebar, doch wuchs er unter Negern auf. In diesem Durcheinander von Negerschweiß und Kraushaar genoß er das Vorrecht, das Sommersprossen und ein rötlicher Schopf verleihen. Er praktizierte den Hochmut, ein Weißer zu sein; im übrigen war er ausgemergelt, ungebärdig und niederträchtig. Mit zwölf Jahren war er in der Bande der Swamp Angels (Sumpfengel) tätig, Gottheiten, die zwischen den Kloaken ihr Wesen trieben. In Nächten, wenn der Nebel brandig roch, tauchten sie aus diesem stinkenden Labyrinth auf, folgten dem Kurs irgendeines deutschen Matrosen, legten ihn mit einem Schlag auf den Kopf um, zogen ihn bis auf die Unterwäsche aus und verfügten sich daraufhin wieder zu dem anderen Unrat. Ihr Anführer war ein ergrauter Neger, Gas Houser Jonas, der auch als Vergifter von Pferden einen Namen hatte.

Zuweilen kippte aus der Dachluke eines buckligen Hauses dicht am Wasser eine Frau über dem Kopf eines Passanten einen Aschenkasten aus. Der Mann zappelte und rang nach Luft. Sogleich umschwärmten ihn die Sumpfengel, zerrten ihn in eine Kellermündung und raubten ihn aus.

So stand es um die Lehrjahre Bill Harrigans, des künftigen Billy the Kid. Er verschmähte nicht die Darbietungen der Bühne; es machte ihm Spaß (wohl ohne die leiseste Vorahnung, daß es Symbole und Lettern seines Schicksals waren), Cowboy-Melodramen beizuwohnen. - (bo3)

Lehrjahre (2)   1894 am 15. Juli bin ich in Odessa auf der Moldawanka als Sohn eines jüdischen Händlers geboren. Der Vater ließ mich bis zu meinem sechzehnten Jahr Hebräisch, die Bibel und den Talmud studieren. Das Leben zu Hause war schwer. Vom Morgen bis in die Nacht mußte ich mich mit vielen Wissenschaften befassen. Erholen konnte ich mich erst in der Schule. Sie hieß: Kaiser Nikolai I. Handelsschule zu Odessa. Dort lernten die Söhne ausländischer Kaufleute, die Kinder jüdischer Makler, angesehene Polen, Altgläubige und viele wesentlich ältere Billardspieler. In den Pausen gingen wir weg, an den Hafen zum Fechten oder in die griechischen Cafes Billard spielen oder auf die Moldawanka, um in einem der Keller billigen bessarabischen Wein zu trinken. Unvergeßlich ist mir die Schule auch wegen Monsieur Vadon, unserem Französischlehrer. Er war Bretone und, wie alle Franzosen, literarisch begabt. Er lehrte mich seine Sprache, ich las mit ihm die französischen Klassiker, fand Freunde in der französischen Kolonie von Odessa und begann mit fünfzehn Jahren, Erzählungen in französischer Sprache zu schreiben. Zwei Jahre schrieb ich, dann gab ich es auf; meine Paysans und Reflexionen blieben farblos, nur Dialoge glückten.

Nach der Schule verschlug es mich nach Kiew und 1915 nach Petersburg. In Petersburg ging es mir ziemlich schlecht, ich hatte keine Aufenthaltsgenehmigung, mußte mich vor der Polizei in acht nehmen und quartierte mich zunächst bei einem zerlumpten, versoffenen Kellner in einer Kellerkneipe auf der Puschkinstraße ein. Damals, 1915, begann ich, meine Werke auf den Redaktionen feilzubieten, aber man jagte mich überall davon, alle Redakteure (der verstorbene Ismailow, Posse und die anderen) rieten mir, in irgendeinem Laden als Lehrling anzufangen, aber ich hörte nicht auf sie und geriet Ende 1916 an Gorki. Dieser Begegnung habe ich alles zu verdanken und kann seitdem an Alexej Maximowitsch nur mit Liebe und Verehrung denken. Er druckte meine ersten Erzählungen im. Novemberheft 1916 seiner Zeitschrift »Letopis« (wegen dieser Erzählungen mußte ich mich nach Paragraph 1001 vor Gericht verantworten), von ihm habe ich außerordentlich Wichtiges gelernt, und später, als sich herausstellte, daß die zwei, drei leidlichen Jugendarbeiten nur zufällig geglückt waren und daß es bei mir nichts würde mit der Literatur und daß ich erstaunlich schlecht schrieb — da schickte mich Alexej Maximowitsch unter die Menschen.

Und für sieben Jahre — von 1917 bis 1924 — ging ich unter die Leute. Ich war Soldat an der rumänischen Front, arbeitete bei der Tscheka, im Volkskommissariat für Bildungswesen, in den Nahrungsmittelexpeditionen des Jahres 1918, in der Nordarmee gegen Judenitsch, in der I.Reiterarmee, im Gouvemementskomitee Odessa, war Expedient in der 7. Sowjetdruckerei Odessa, Reporter in Petersburg und Tiflis und so weiter. Und erst 1925 hatte ich gelernt, meine Gedanken klar und nicht zu umständlich auszudrücken. Da fing ich wieder an zu schreiben. - (babel)

Lehrjahre (3)  ZWIRN: Ja wohl Schwachheit, in meiner Gegenwart von Mädeln und Verliebtsein sprechen. Da müßt's mich erzählen lassen, ich könnt' euch meine Amouren bataillonweis aufmarschieren lassen.

LEIM : Ich war nur in ein einzige verliebt.

ZWIRN: In eine einzige? Brüderl, das ist ja gar nicht der Müh' wert, daß man davon redt. Wie ich in der Lehr war, war ich schon in zehne verliebt. Mein erster Meister, zu dem ich als G'sell kommen bin, hat ein schön's jung's Welberl g'habt, das Weiber! hat mir g'fallen, und ich ihr auch, denn ich war damals ein sehr ein liebenswürdiger Jüngling. - Einmal gibt mir das Weiberl ein Bussel, da kommt der Meister dazu, und der Esel hält sich drüber auf, daß mir sein Weib ein Bussel geb'n hat, und jagt mich auf der Stell davon. - Mein zweiter Meister hat fünf Töchter g'habt - das waren Zwilling - da war ich dir aber in alle fünfe zugleich verliebt. - Einmal haben wir Pfänder g'spielt - no du weißt, das geht auch mit'n Busselgeben aus -

KNIERIEM: Allemal.

ZWIRN: Wie wir die Pfänder ausg'löst haben, kommt der Meister dazu - der geht her, gibt mir für eine jede Tochter %a>ei Watschen, und jagt mich fort.

KNIERIEM: Zwei Watschen? Das ist zu viel.

ZWIRN: Nicht wahr? Ich war' ja hinlänglich zufrieden gewesen, wenn er mir für eine jede Tochter eine Watschen gegeben hätte, aber drei Watschen, das ist ja ein offenbarer Luxus. - Mein dritter Meister, der hat ein G'schwisterkind g'habt von 21 Jahren - aber hörst, Schuster, so ein schönes  G'schwisterkind hab'  ich in meinem  ganzen Leben nit g'sehn. Da hab' ich aber hernach eine saubere Köchin kenneng'lernt, mit der bin ich durchgangen, und 's G'schwisterkind hab' ich sitzenlassen.

KNIERIEM: Meine G'schicht ist nicht so lang, aber äußerst tragisch. Erstens ist mir meine Profession z'wider, ich hab' nur Sinn für die Astronomie - und dann hab' ich nichts  als  unverschuldete  Unglücksfälle  g'habt.   -  In Budweis hab' ich mein Meister g'haut. LEIM: Warum denn?

KNIERIEM : Weil ich ein Rausch g'habt hab*, also kann ich nix davor. In Altbrünn hätt' ich bald ein Lehrbuben zerrissen.   - Johann Nestroy, Der böse Geist Lumpazivagabundus oder Das liederliche Kleeblatt. Zauberposse mit Gesang. In: J. N., Werke, Hg. O. M. Fontana. Darmstadt 1968 (zuerst 1835)

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