Lehramtskandidatin    — Siehst du, wie vernünftig so ne Kröte in dem Alter schon zu argumentieren versteht? Man fragt sich nur, warum es überhaupt nötig ist, sie in die Schule zu schicken.

— Ich, erklärte Zazie, will bis fünfundsechzig in die Schule gehen.

— Bis fünfundsechzig? wiederholte Gabriel etwas erstaunt.

— Ja, sagte Zazie, ich will Lehrerin werden.

— Das ist gar kein so schlechter Beruf, sagte Marceline sanft. Da gibts ne schöne Pension.

Sie fügte das automatisch hinzu, weil sie die französische Sprache gut beherrschte.

— Pension am Arsch, sagte Zazie. Ich will nicht wegen der Pension Lehrerin werden.

— Natürlich nicht, sagte Gabriel, das können wir uns schon denken.

- Weshalb dann wohl? fragte Zazie.

- Das wirst du uns jetzt erklären.

- Kommst du nicht von alleine drauf, sag?

- Sie ist ja wirklich aufgeweckt, die Jugend von heute, sagte Gabriel zu Marceline. Und zu Zazie:

- Na, warum willst du das werden, Lehrerin?

- Um die Klagen zur Sau zu machen, antwortete Zazie. Die, die in zehn Jahren, in zwanzig Jahren, in fünfzig Jahren, in hundert Jahren, in tausend Jahren in meinem Alter sind, es wird immer Gören geben, die man piesacken kann.

- Na ja, sagte Gabriel.

- Ich werde sie ganz hundsgemein behandeln. Ich werde sie den Fußboden abschlecken lassen. Ich werde sie den Schwamm fressen lassen, der an der großen Tafel hängt. Ich werde ihnen den Zirkel in den Hintern stoßen. Ich werde ihnen den Stiefel in den Arsch treten. Denn ich werde Stiefel tragen. Im Winter. So hohe (Gebärde). Mit großen Sporen, um ihnen das Hinterfleisch zu spik-ken.

- Weißt du, sagte Gabriel ruhig, nach dem, was die Zeitungen schreiben, geht die moderne Erziehung keineswegs in diese Richtung. Ganz im Gegenteil. Man geht den Weg der Milde, des Verstehens, der Güte. Nicht wahr, Marceline, das schreibt man doch in der Zeitung?

-Ja, antwortete- Marceline sanft. Aber dich, Zazie, hat man dich in der Schule mißhandelt?

- Das hätte gerade noch gefehlt.

- Außerdem, sagte Gabriel, in zwanzig Jahren wird es keine Lehrerinnen mehr geben: sie werden vom Kino, vom Fernsehen, von der Elektronik und solchem Zeug ersetzt werden. Das hat neulich auch in der Zeitung gestanden. Nicht wahr, Marceline?

- Ja, antwortete Marceline sanft.

Zazie nahm diese Zukunft einen Augenblick lang in Augenschein.

- Dann, erklärte sie, werde ich eben Weltraumfahrerin.

- Ganz richtig, sagte Gabriel zustimmend. Man muß immer mit der Zeit gehen.

-Ja, fuhr Zazie fort, ich werde Weltraumfahrerin, um die Marsbewohner zur Sau zu machen.   - Raymond Queneau, Zazie in der Metro. Frankfurt am Main 1999 (zuerst 1959)

Lehrerin Kandidat

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