eckerbissen  Ein rasendes und außerordentliches Stück ist von Kleist die «Penthesilea». Sie hat ihm bei Goethe das Genick gebrochen, aber ist gräßlich schön geblieben. Es ist charakteristisch, daß das Stück, das lange Zeit nur ein Leckerbissen von Literaten war, von einer Volksbühne bei hervorragender Regie unter großer Ergriffenheit, mächtiger Spannung und Teilnahme gegeben werden kann. Die erregte Zeit fordert starke Akzente, der starke Akzent schallt an aufgerissene widerklingende Seelen. In diesem Stück wirft sich die Heldin in einem Verwirrtheits- und Dämmerzustand über den Liebsten — in einem Mißverständnis, das so sehr Mißverständnis ist, daß sie selbst von einer Silbenverwechselung, Küssen und Bissen, von einem reimerischen Irrtum spricht —, und küßt ihn mit den Zähnen und Händen in Stücke, um nachher bluttriefend zur Besinnung zu kommen. -   Linke Poot

Leckerbissen (2) Meine Mutter hörte mir nicht mehr zu. Irgendein lästiger Gedanke schien sie zu beunruhigen. Schließlich sagte sie - oder besser, flüsterte sie mir zu:

»Ist da eigentlich ein großer Unterschied zwischen mir und einem Exkrement?« Meine Mutter ist eitel, und wahrscheinlich nicht zu unrecht, wenn sie wirklich - wie es scheint - seinerzeit eine berühmte Schönheit war.

»Gewiß,« antwortete ich, nicht ohne Zärtlichkeit, »besonders wenn du beim Friseur warst.«

Aus dem grünen Glas kam ein unterdrücktes Kichern. Ich nahm eine Flasche Macon und ließ ein paar Tropfen hineinfallen. Irgendeine Öffnung saugte den kostbaren Wein auf und ein ordinäres Zungenschnalzen, ein widerliches Dankesgegurgel wurde hörbar. Manchmal habe ich meiner Mutter gedroht, ich würde sie durch den Fleischwolf drehen und einen Klops für den Hund aus ihr machen; oder sie mit Senf verkneten und den Gorillas anbieten, die auf solche Leckerbissen scharf sind.   - Giorgio Manganelli, Unschluß. Berlin 1978 (Wagenbach Quarthefte 82, zuerst 1976)

Leckerbissen (3)  Das gebräuchlichste Menü unter meiner Drahtglocke besteht aus Feldheuschrecken von verschiedener Größe und Art. Es ist aufschlußreich, zuzusehen, wie die Mantis ihre Heuschrecke verzehrt, die sie zwischen ihren beiden Fangarmen festhält. Die kleine spitze Schnauze scheint für eine derartige Schlemmermahlzeit wenig geeignet, aber das ganze Stück verschwindet, wie gesagt mit Ausnahme der Flügel, von denen nur die ein wenig fleischige Ansatzstelle noch verwendet wird. Die Beine, die lederartigen Hülldecken, alles muß dran glauben. Manchmal wird die Keule, eine der beiden dicken Hinterschenkel der Heuschrecke, am dünneren Ende ergriffen und an den Mund geführt, wo ihn die Gottesanbeterin, mit Befriedigung offenbar, kostet und knabbert. Es scheint, als ob die käche Keule der Heuschrecke für sie ein ausgesuchter Leckerbissen sei, so wie etwa für uns eine Hammelkeule. - (fab)

Leckerbissen (4)

CHOR DER VÖGEL:

Pickt und kratzt und krammt und hacket,
Bohrt und krallet den verwegnen,
Den verfluchten Vogelstellern
Ungesäumt die Augen aus!

Schlagt und klatscht dann mit den Flügeln
Ihre Wangen, ihre Lippen,
Die uns zum Verderben pfeifen,
Ihre mordgesinnten Schläfe,
Daß sie taumelnd niederstürzen!

Und dann zerrt und reißt euch gierig,
Keiner sie dem andern gönnend,
Um die vielgeliebten Augen!
Schlenkert die geliebten Bissen,
Sie gemächlich zu verschlucken!
Jagt euch um die Leckerbissen!
Selig, wer den Fraß verschlingt!

- Goethe, Die Vögel, nach dem Aristophanes (1780)

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