Linke Poot
Leckerbissen (2) Meine Mutter hörte mir nicht mehr zu. Irgendein lästiger Gedanke schien sie zu beunruhigen. Schließlich sagte sie - oder besser, flüsterte sie mir zu:
»Ist da eigentlich ein großer Unterschied zwischen mir und einem Exkrement?« Meine Mutter ist eitel, und wahrscheinlich nicht zu unrecht, wenn sie wirklich - wie es scheint - seinerzeit eine berühmte Schönheit war.
»Gewiß,« antwortete ich, nicht ohne Zärtlichkeit, »besonders wenn du beim Friseur warst.«
Aus dem
grünen Glas
kam ein unterdrücktes
Kichern.
Ich nahm eine
Flasche Macon
und ließ ein
paar Tropfen
hineinfallen.
Irgendeine
Öffnung
saugte den
kostbaren Wein
auf und ein
ordinäres Zungenschnalzen,
ein widerliches
Dankesgegurgel
wurde hörbar.
Manchmal habe
ich meiner
Mutter gedroht,
ich würde sie
durch den Fleischwolf
drehen und
einen Klops
für den Hund
aus ihr machen;
oder sie mit
Senf verkneten
und den Gorillas
anbieten, die
auf solche
Leckerbissen
scharf sind.
- Giorgio Manganelli, Unschluß. Berlin 1978 (Wagenbach Quarthefte 82,
zuerst 1976)
Leckerbissen
(3)
Das gebräuchlichste Menü unter meiner Drahtglocke besteht aus Feldheuschrecken
von verschiedener Größe und Art. Es ist aufschlußreich, zuzusehen, wie die Mantis
ihre Heuschrecke verzehrt, die sie zwischen ihren beiden Fangarmen festhält.
Die kleine spitze Schnauze scheint für eine derartige Schlemmermahlzeit wenig
geeignet, aber das ganze Stück verschwindet, wie gesagt mit Ausnahme der Flügel,
von denen nur die ein wenig fleischige Ansatzstelle noch verwendet wird. Die
Beine, die lederartigen Hülldecken, alles muß dran glauben. Manchmal wird die
Keule, eine der beiden dicken Hinterschenkel der Heuschrecke, am dünneren Ende
ergriffen und an den Mund geführt, wo ihn die Gottesanbeterin,
mit Befriedigung offenbar, kostet und knabbert. Es scheint, als ob die käche
Keule der Heuschrecke für sie ein ausgesuchter Leckerbissen
sei, so wie etwa für uns eine Hammelkeule.
- (
fab
)
Leckerbissen (4)
CHOR DER VÖGEL: Pickt und kratzt und krammt und hacket, Schlagt und klatscht dann mit den Flügeln Und dann zerrt und reißt euch gierig, |
- Goethe, Die Vögel, nach dem Aristophanes (1780)
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