ecken Hunde haben eine auffallende Weise, ihre Zuneigung zu erkennen zu geben, nämlich dadurch, daß sie die Hände oder das Gesicht ihres Herrn lecken. Sie lecken auch zuweilen andere Hunde und dann immer am Maule. Ich habe auch gesehen, daß Hunde Katzen leckten, mit denen sie befreundet waren. Diese Gewohnheit entstand wahrscheinlich daraus, daß die Weibchen ihre Jungen, die teuersten Gegenstände ihrer Liebe, um sie zu reinigen, beleckten. Nach einer kurzen Abwesenheit lecken sie auch oft ihre Jungen ein paarmal schnell im Vorübergehen, allem Anscheine nach aus Zuneigung. Hierdurch wird die Gewohnheit mit der Erregung der Liebe assoziiert worden sein, aufweiche Weise diese auch später erregt werden mag. Sie ist jetzt so fest vererbt oder angeboren, daß sie gleichmäßig auf beide Geschlechter überliefert wird. Einer meiner weiblichen Pinscher warf vor kurzem Junge, welche sämtlich getötet wurden; und trotzdem die Hündin schon zu allen Zeiten eine sehr zärtliche Kreatur war, so war ich doch über die Art und Weise überrascht, in welcher sie nun versuchte, ihre instinktive mütterliche Liebe dadurch zu befriedigen, daß sie sie auf mich wandte; und ihre Begierde, meine Hände zu lecken, wuchs zu einer unersättlichen Leidenschaft.
[Klinghammer stimmt mit Darwins Ansicht über
die Entstehung der Neigung zum Lecken überein, bezweifelt aber,
daß es richtig ist, von »Liebe« zu sprechen.]
- (
dar
)
Lecken (2) Der Anblick der veritablen
Zerstückelung im Seziersaale rief
abermals Mitleid und Empörung - unter
dem Namen der Humanität - auf den Plan. Das physiologische Laboratorium
wurde unter dem Blick solcher Betrachter zur ›Folterkammer‹,
worin der Professor als persongewordene
Grausamkeit sein schauerliches Werk vollbrachte, und worin das
Naturobjekt als leidendes, sonst so freundliches Tier flehenden
Augs um Beistand und Revolte schrie. Auf den primitiven Holzschnitten,
welche Ernst von Webers zu ihrer Zeit berühmten Schrift
Die Folterkammern der Wissenschaft - sie rief zuerst in
Deutschland die öffentliche Empörung gegen die Vivisektoren auf
- beigegeben sind, sieht man stets den Experimentator mit aufgekrempelten
Hemdsärmeln, im Begriffe, das Messer
zu nehmen, mit brutalem Gesichtsausdruck die Mienen und Gesten
der Hunde auf dem Seziertische ignorierend. Die Tiere selber,
andrerseits, machen auf den gleichen Bildern öfters Anstalten,
Pfote zu geben oder die Hand zu lecken - und eben diese Szene
ist es, welche immer wieder von neuem nicht allein jenen Ernst
von Weber, sondern das breiteste Laienpublikum und unter
den Schriftstellern auch den großen
Darwin heftig gerührt hat. »... Alle haben davon gehört
(schreibt Darwin in der Abstammung der Menschen),
wie ein Hund, an dem man die Vivisection
ausführte, die Hand seines Operateurs leckte.« - Dolf Sternberger,
Panorama oder Ansichten vom 19. Jahrhundert. Frankfurt am Main
1974 (st 179, zuerst 1938)
Lecken (3)
- Tomi Ungerer's Kompromisse. Zürich 1982 (kunst-detebe
26070, zuerst 1970)
Lecken (4) »Ich glaube dich zu verstehen«,
sagte sie und hing sich an seinen Hals und wollte noch etwas
sagen, konnte aber nicht weitersprechen; und weil der Sessel
gleich neben dem Bette stand, schwankten sie hinüber und fielen
hin. Dort lagen sie, aber nicht so hingegeben wie damals in den
Nacht. Sie suchte etwas, und er suchte etwas, wütend, Grimassen
schneidend, sich mit dem Kopf einbohrend in die Brust des anderen,
suchten sie, und ihre Umarmungen und ihre sich aufwerfenden Körper
machten sie nicht vergessen, sondern erinnerten sie an die Pflicht,
zu suchen; wie Hunde verzweifelt im Boden scharren, so scharrten
sie an ihren Körpern; und hilflos, enttäuscht, und noch letztes
Glück zu holen, fuhren manchmal ihre Zungen
breit über des anderen Gesicht. Erst
die Müdigkeit ließ sie still und einander dankbar werden. Die
Mägde kamen dann auch herauf. »Sieh, wie die hier liegen«, sagte
eine und warf aus Mitleid ein Tuch über sie. - Franz Kafka,
Das Schloß. Frankfurt am Main 1965 (zuerst ca. 1925)
Lecken (5) Bei der Ziegenfolter (Tormentum cum
capra) wurde der Beschuldigte auf eine Bank gelegt angebunden. Sodann
wurden ihm die Fusssohlen stark mit Salz eingerieben, das von einer Ziege
abgeleckt wurde. Dieser Vorgang war anfangs mit einem unerträglichen Kitzel
verbunden, der sich durch die Wiederholung zu einem sehr schmerzvollen Empfinden
steigerte. Die rauhe Zunge der Ziege wetzte Haut und Fleisch zuweilen bis auf
die Knochen fort. - (
hel
)
Lecken (6) Der Namenlecker weiß, was gut
ist, er riecht es auf tausend Kilometer und scheut keine Mühe, in die Nähe des
Namens zu gelangen, den er zu lecken gedenkt. Im Auto, mit Flugzeugen geht das
heute leicht, gar zu groß ist die Mühe nicht, aber es ist zu sagen, daß er sich
auch mehr Mühe geben würde, wenn es notwendig wäre. Seine Gelüste entstehen
beim Zeitunglesen, was nicht in der Zeitung steht, schmeckt ihm nicht. Kommt
ein Name öfters in der Zeitung vor und steht er gar schon in den Überschriften,
so wird sein Gelüste unwiderstehlich und er macht sich schleunigst auf den Weg.
Hat er genug Geld für die Reise, so ist es gut, hat er's nicht, so borgt er
sich's aus und zahlt mit der Glorie seiner großen Absicht. Es macht immer Eindruck,
wenn er davon spricht. »Ich muß N. N. lecken«, sagt er, und es klingt wie früher
die Entdeckung des Nordpols. - (
can
)
Lecken (7) Der Engländer John George Haigh, einst ein netter Chorknabe der Kathedrale von Wakefield, wurde 1949 wegen Mordes an neun Menschen gehängt. In der Nacht vor seiner Hinrichtung schrieb er nieder, er habe sich als Junge an der Hand verletzt und das Blut abgeleckt. Er habe ein ausgesprochenes Lustgefühl dabei empfunden. »Und das bewirkte eine Revolution in meinem ganzen Wesen.«.
Zuerst brachte er sich selber Wunden bei. Doch später lockte er seine Opfer
in seine Wohnung, tötete sie und trank Blut aus ihrer Kehle. - (
hoe
)
Lecken (8)