Lebensunlust    Kalantan  erzählte ihm ihre Geschichte: «Mein Mann war sehr reich. Er besaß unerschöpfliche Naphthaquellen und die berühmtesten Fischereien von ganz Persien.»

«Ich weiß.»

«Und er war mit einer schrecklichen Lebensunlust auf die Welt gekommen. Man möchte sagen, daß er mit der ganzen asiatischen Erfahrung in seinem Blut geboren war. Nichts reizte ihn mehr, nichts interessierte ihn. Gleichgültig gegenüber Haus und Familie hatte er in seinem Zimmer Plakate anschlagen lassen, wie sie sich in Hotelzimmern finden, mit dem Preis der blanchissage, des im Speisesaal oder auf dem Zimmer servierten Frühstücks und mit der Aufforderung an die Herrschaften, die mit den Abendzügen abreisen, das Zimmer vor zwei Uhr nachmittags zu räumen.

Es war sein Traum zu reisen, aber er reiste sehr wenig. Er war eine Art Paralytiker voll Sehnsucht nach der Ferne. Seine weitesten Reisen waren Paris—Berlin, Paris-London, Paris-Brüssel. Nach einmonatiger Abwesenheit kam er dann wieder nach Haus.

Er hatte Gefallen an Kokotten. Ich glaube, daß die berühmtesten grues durch seine Hände gegangen sind.

Aber er hätte sie immer alle zusammen in seiner Bereitschaft haben mögen, in einem tragbaren Haus, wie eine Zigeunerkarawane, die von einem sachverständigen Pariser maitre d'hôtel hätte dirigiert werden müssen.

Ich gefiel ihm in langen Zwischenräumen. In der ersten Zeit unserer Ehe hat er mich sehr geliebt, obgleich ich einen Fehler hatte: den, seine Frau zu sein.

Um sich darüber hinwegzutäuschen, bezahlte er mich. Jedesmal, wenn ich ihn in meinem Bett empfing, ließ er in diese Truhe aus Samt und Zinn einige Goldstücke fallen. Er behauptete, auf diese Weise die Funktion der Ehefrau zu veredeln, indem er sie zur Würde der Kurtisane erhöbe.»   - Pitigrilli, Kokain. Reinbek bei Hamburg 1988 (rororo 12225, zuerst 1922)

Unlust Leben

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VB

 Lebenslust

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