Loke der Lästerer
Götter der Zeit, ich schmähte gestern, und schmähen will ich
euch auch heut, Götter der Zeit, euch ewig lästern, hört mein
lachendes Lästergeläut!
Ihr führt die Macht, ich führe Klage, ich führe das Wort in
meiner Macht! Dreizehn liegt ihr beim Gelage; das bedeutet
Totenwacht, Unfall, Hinfall – singt die Sage. Götter, nehmt euch bald
in Acht! sehr schnell eilen die lustigen Tage, Götter, Götter,
und Loke lacht!
Ja, ich saß in jüngeren Stunden zu Gast in eurem Göttersaal: an
dem Strick, den ihr gebunden, hingeschleift zu euerm Mahl. Darum: eure eiternden Wunden, Loke kennt, kennt ihre Zahl!
Ekel
fühlt’ich vor den vollen Gefäßen, und euer Wein war ekler noch; euer Singsang verdarb mir das Essen, der fad wie dünne Brühe
roch. Drum: das könnt ihr Loke nicht vergessen, daß er nicht
lobkrähend vor euch kroch.
Nein, ich will kein Loblied krähen, will nicht singen für
euern Fraß; nein, ich will euch lieber schmähen mit meinem
großen, schönen Haß!
Meine Sehnen habt ihr mir zerstochen, mich geschmiedet auf
dies Gletscherjoch, mir die Zähne ausgebrochen, aber meine
Zunge lästert doch!
Ja: ich habe eure Schmach verraten, Götter – das war all mein
Fehl! eure heiligen Gräuelthaten, eurer festen Schlösser Sündenhehl.
Drum heißt Loke der Erste der Hasser, der Lästerer Erster
in euerm Lied; ja, es ehrt, es ehrt ihn, daß er Verräter verriet!
Wenn den Gewaltigen straft der Schwache, dann heißt die Strafe
Rachewut. Sei’s! Ja, Götter: ich übte Rache, hört es, Rache
– und rächte gut!
Habe erbrochen die Bundeslade, habe den Moder ans Licht gekarrt, euch
abgerissen die Maskerade und eure Nacktheit offenbart.
Habe euern Götzendienst verachtet, von euren Bildern den Flitter
geklopft, habe das goldne Kalb geschlachtet, sah das Stroh,
womit es ausgestopft.
Habe gerächt, du alte Götterhure, gerächt all meiner Jugend
Weh, als ich knien gemußt zum eklen Schwure und dir Weihrauch
streun, du Afterfee!
Ja: mein Wahrheitswort, das lachte ins Gesicht dem Götterpack, daß
ihr Schloß und Tempel krachte – hah, wie rannte das Köterpack,
die Göttervetteln, die Götterpinsel: Der knöpfte die Hosen
zu, Die nahm die Unterröcke mit Gewinsel vor die welke, verschrumpfte
Scham.
Aber die Lüge ging zum Pfuhle und fischte Nattern im dumpfen
Hain; die ließ die tückische Götterbuhle Gifte in Loke’s Antlitz
spein.
Und dann schlugen sie Loke in Ketten, Hundert gegen Einen
war die That; doch – in ihren Götterlotterbetten schrein sie
doch von Hochverrat.
Ja, in Ketten liegt er auf der Klippe aber seine Zunge ist
noch frei, und die alten Göttergerippe zittern noch von seinem
Geschrei.
In den langen Nächten seiner Qualen sitzt an seinem harten
Bett sein Weib, schützt ihm liebreich mit krystallnen Schalen vor
dem Natterneiter seinen Leib.
Wenn dann die tückischen Vipernrotten beißen wollen die treue
Hand, dann hört Loke auf zu spotten: wie der Sturm dann bricht
sein Zorn ins Land.
Wenn er seine Ketten schüttelt, dröhnen die Berge und das
Feld; in Hütten und Burgen, wachgerüttelt, ahnt man bebend
das Ende der Welt.
Da hört Loke auf zu lästern, sondern aus den düstern Augen
drohn sengende Blitze den Götternestern, und er ruft nach
seinem Sohn.
Der Midgardsdrache, der Weltzerstörer, dann läßt er rasseln
sein Schuppenfell und reckt den Schwanz, der Weltempörer, hinten
am wilden Wolgaquell.
Und es prasseln und knacken und splittern die Forsten im Wolkonskywald, und
die Pyrenäen zittern, wo sein Bauch sich zuckend ballt.
Aber die Brust zerpeitscht zu Schäumen der Seine alte, heilige
Flut, deren Ufer noch glühn und träumen von Erlösung und von
Blut.
Aber: wo der Drache das Haupt geborgen, fragen die feigen
Götter und schrein. Ewig folgt auf heute morgen; mein Bescheid
wird euer Gestern sein!
Denn wenn Er sein Haupt erhebt zur Rache, Götter, aus ist
dann die Zeit! Wißt ihr, wenn erst zischt der Drache, wird
euch nie mehr Unheil prophezeit!
Dann erliegt die Welt dem Brande, der verbrennt, was brennen
soll, der das Gold befreit vom Schlackensande, der verschont,
was lebensvoll.
Und der alte, dürre Norden, dann vom Feuer reingeglüht, fruchtbar
Ascheland geworden, saamt sich neu, gebärt und blüht.
Dann, in ewig grünen Hainen, neu geboren, lebt ein frei Geschlecht, nicht
verkrümmt von heiligen Gängelleinen, Keiner mehr ein Götterknecht.
Götter, wenn sich dann die Raben um eure Gräber tummeln auf
der Flur, keine Thräne wird dann Loke haben, seine ewig junge
Hoffnung nur!
Ja: sein Gelächter fiel gleich Steinen schwer in eure Götterruh, denn
er glaubt an jenen seinen Einen, nicht an Euer Blindekuh.
Doch euren Gräbern lacht sein Geläute wie Freundesworte: Götter
der Zeit, ruhet in Frieden ... aber heute leben die Götter
der Ewigkeit!
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