abyrinth,
geträumtes
Auch wenn ich es zerstören und fliehen könnte, wäre es immer noch bei mir als
Erinnerung, und ich müßte ohne Unterlaß durch seine trickreichen und heimtückischen
Windungen gehen. Also gebe ich zu, ich habe mit dem Labyrinth zu tun. Ich darf
annehmen, daß zwischen mir und diesen Wegen irgendeine schwierige, beharrliche
Beziehung besteht, nicht unähnlich der Beziehung zwischen einem Träumenden und
seinem Traum. Nehmen wir also an, das Labyrinth sei mein Traum. Aber wenn ich
träume, dann schlafe ich vielleicht, und das Dasein des Traumes fällt also mit
meinem Schlaf zusammen. Durch den Traum läßt sich die Aufdringlichkeit dieser
Bilder, mein Zusammenleben mit ihnen und zugleich die Unmöglichkeit, sie zu
beherrschen, erklären. Nicht erklärbar ist aber meine Aufgabe, durch das Labyrinth
zu gehen, und auch nicht die Gleichgültigkeit und die Beharrlichkeit in jedem
Bruchstück dieses Baus. Mehr noch: Nicht einen Augenblick lang ist das Labyrinth
aus meinem Bewußtsein verschwunden; es gibt keinen Augenblick, der meinem labyrinthischen
Schlaf vorausgeht. Sollte ich da nicht an einen ewigen, nie austräumbaren, unsterblichen
Traum denken? Wenn ich aber ebenso ewig, unbeschü eßbar und unsterblich bin,
dann hat wohl die Bezeichnung »Traum« nur eine gefühlsmäßige Bedeutung; in Wahrheit
beschreibt der unsterbliche Traum eine Lage, die ich zugleich substantiell und
akzidentiell nennen könnte: ich und das Labyrinth sind füreinander Akzidenzien,
zusammen aber bilden wir eine Substanz. Indem ich von Traum sprach, konnten
sich, so bemerke ich, Zweifel über die Substanz einschleichen, aus der wir -
ich und das Labyrinth - bestehen; beinahe als hätte ich mir ausgedacht, der
Stoff, aus dem das Labyrinth gemacht ist, sei aus mir herausgepreßt worden zu
einem ränkevollen, hektoplastischen Bau. - Giorgio Manganelli, Labyrinth. In: (
irrt
)
|
|
|
|
|
|