abyrinth, chinesisches
Die Kette rasselte, und die Tür schwang auf. Ich rührte mich nicht, sah mich nicht um.
»Geh weg! Nicht finden Chang!«
Ich sagte nichts. Wenn er mich nicht hätte hereinlassen wollen, wäre er ja nicht noch mal aufgekreuzt.
»Was wollen?«
»Ich möchte Chang Li Ching sprechen«, antwortete ich, ohne mich umzusehen.
»Von mir aus.«
Ich schnippte meine Zigarette auf die Straße, stand auf und trat ins
Haus. Im Halbdunkel konnte ich ein paar billige lädierte Möbelstücke
ausmachen. Ich mußte warten, bis der Chinese die Tür mit vier armdicken
Eisenstangen verbarrikadiert hatte. Dann nickte er mir zu und schlurfte
vor mir her, ein kleiner gebeugter Mann mit haarlosem gelbem Schädel und
einem Hals wie ein Schiffstau.
Nach dem ersten Raum kam ein zweiter, noch finsterer, dann ein Korridor
und eine altersschwache Treppe. Es roch durchdringend nach muffigen
Kleidern und feuchter Erde. Wir wanderten eine Weile durch das Dunkel
auf festgestampftem Lehmboden, schwenkten nach links, und ich hatte
Zement unter den Füßen. Wir bogen noch zweimal ab und klommen dann eine
holprige Holzstiege in eine Halle hinauf, die durch abgeschirmte
Glühbirnen schwach erhellt war.
Hier schloß mein Führer eine Tür auf, und wir durchquerten einen Raum,
wo Weihrauchstäbchen brannten und im Schein einer Öllampe vor Holztafeln
mit vergoldeten chinesischen Schriftzeichen kleine rote Lacfctische mit
Teetassen standen. Durch eine Tür auf der gegenüberliegenden Seite
gelangten wir in ägyptische Finsternis, wo ich mich an der viel zu
weiten blauen Jacke meines Führers festhalten mußte.
Bisher hatte er sich seit dem Beginn unserer Wanderung nicht ein
einziges Mal umgesehen, und keiner von uns hatte einen Mucks von sich
gegeben. Das ewige Herumkurven und Treppensteigen kam mir ziemlich
harmlos vor. Wenn es ihm Spaß machte, mich durcheinanderzubringen, dann
bitte, von mir aus gern. Ich war schon so konfus, daß ich keine blasse
Ahnung hatte, wo wir eigentlich waren. Das störte .mich aber nicht.
Falls mir ein schrecklicher Tod bevorstand, würde sich dies Mißgeschick
durch die Kenntnis der genauen geographischen Lage nicht erfreulicher
gestalten. Kam ich andererseits mit heiler Haut davon, dann war ein Ort
so gut wie der andere.
Es ging noch um ein paar Ecken und etliche Treppen hinauf und hinunter.
Meiner Schätzung nach krebsten wir jetzt seit fast einer halben Stunde
im Haus herum, und ich war außer meinem Führer keiner Menschenseele
begegnet.
Dann sah ich doch etwas. ,
Wir trotteten einen langen schmalen Korridor hinunter, mit massenhaft
Türen zu beiden Seiten. Alle diese Türen waren geschlossen und hatten im
Dämmerlicht etwas vom Blaubart. Im Vorbeigehen erhaschte ich in
Augenhöhe ein mattes metallisches Glitzern — einen dunklen Ring
im-oberen Teil einer Tür.
Ich warf mich zu Boden.
Durch meine Bauchlandung konnte ich das Mündungsfeuer nicht sehen, aber ich hörte den Knall und roch das Pulver.
Mein Führer wirbelte herum, wobei er einen seiner Latschen verlor. In
jeder Hand hatte er eine Selbstladepistole, so groß wie ein
Kohlenkasten. Sogar während ich meine eigene Kanone hervorangelte,
fragte ich mich, wo dies dürre Männchen seine Eisenwaren bisher
versteckt gehabt hatte.
Die zwei Riesenapparate in den Händen des Männleins blitzten auf. Er
ballerte in meine Richtung, und zwar nach Chinesenart hintereinanderweg —
wumm! wumm! wumrn!
Ich dachte, warum er mich wohl in einem fort verfehlte, bis ich den
Finger auf dem Abzug hatte. Dann dämmerte es mir gerade noch
rechtzeitig, und ich hielt mich zurück.
Er schoß gar nicht auf mich. Er durchlöcherte die Tür hinter mir — die
Tür, von der aus ich beschossen worden war. Ich wälzte mich aus dem Weg.
Der dürre kleine Mann trat näher und beendete sein Bombardement. Die
Kugeln durchschlugen das Holz, als wäre es Papier. Schließlich waren
beide Magazine leer.
Die Tür schwang auf, unter dem Gewicht eines Mannes, der sich auf den
Beinen zu halten suchte, indem er sich an der Luke in der Tür
festklammerte.
Dummy Uhl glitt zu Boden; von seinem Rumpf war nicht mehr viel übrig, der Rest war ein Bündel Kleider in einer großen Lache.
Der Korridor füllte sich mit Gelben, deren schwarze Schießeisen wie Dornen aus einer Brombeerhecke ragten.
Ich richtete mich auf. Mein Führer ließ seine Pistolen sinken und
krächzte ein gutturales Solo. Die Chinesen verschwanden durch alle
möglichen Türen, bis auf vier Kerle, die anfingen, das
zusammenzuklauben, was zwanzig Kugeln von Dummy Uhl übriggelassen
hatten.
Der zähe alte Knabe verstaute seine leeren Pistolen wieder irgendwo an
seinem Körper und kam auf mich zu, die Hand nach meiner Kanone
ausgestreckt.
»Du geben das«, sagte er höflich.
Ich gab ihm das. Ich hätte ihm auch meine Hosen gegeben.
Er schob mein Schießeisen unter die Jacke, besah sich das, was die vier Chinesen gerade wegtrugen, und sah mich an.
»Du nicht mögen Mann, he?« fragte er.
»Nicht besonders«, gab ich zu. - Dashiell Hammett, Rote Tür in Chinatown. Berlin Frankfurt a. M. 1969
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