utteln  Flecksieder (auch Kuttler, Kuttelwascher) reinigten und brühten die Gedärme und die Mägen der Wiederkäuer. Kuttelflecke, auch Flecke, Kaldaunen oder Löser genannt, sind die Vormagen und Gedärme des Rindes, die in diversen Küchen als Delikatesse gelten. Sie wurden mit Salz, Pfefferkörnern und einigen Spritzern Essig mehrere Stunden lang weich gekocht, anschließend nudelig geschnitten und in Weinsauce, in einem Gulyasansatz, als Suppe mit Wurzelwerk zubereitet oder mit Semmelbröseln gebacken.

Das Appetit-Lexikon von Habs und Rosner schließt den Artikel »Kaldaunen« mit der Feststellung: »Übrigens werden die Kutteln so fabelhaft schnell und gründlich verdaut, daß man um zwei Uhr mit dieser Speise zum Bersten gesättigt, doch bereits um vier Uhr vor erneuertem Hunger in Ohnmacht fallen kann.« Und der türkische Reisende Evliya Chelebi, der den Alay genannten Umzug der Gewerbe im Jahre 1638 in Konstantinopel miterlebte, berichtet: »Die Kuttelköche hatten einen eigenen Platz im Zug, weil der Prophet gesagt hatte: Kutteln sind die Königin der Mahlzeiten.« - (pal)

Kutteln (2) Und weil die Nonne Rusch nicht ohne Einfluß war, konnte sie zwar nicht die Begnadigung ihres Vaters, doch ein letztes Bekochen des Verurteilten erwirken. Sogar hohe Personen schlugen ihre Einladung nicht aus. Der von den aufständischen Zünften abgesetzte, nach Dirschau auf seine Starostei vertriebene, nun wieder amtierende Bürgermeister Ferber und der Abt des Klosters Oliva, Jeschke, kamen pelzverbrämt und in Brabanter Tuch in den Stock und wollten mit dem Grobschmied Rusch dessen Leibgericht löffeln. Auch der Scharfrichter Ladewig war geladen und kam. Am Vorabend schon hatte die kochende Nonne den vollen Topf in der Küche des Henkers (und Abdeckers) aufgesetzt, so daß es bis in alle Verliese des nun vollbesetzten Stockturms roch.

Wer ißt mit mir Fleck Kutteln Kaidaunen? Die machen friedlich, ebnen den Zorn des empörten Mannes, lullen die Todesfurcht ein und erinnern an Kutteln, Fleck und Kaidaunen aus früherer Zeit, als immer der Topf halbvoll auf dem Herd stand. Ein Stück vom Fettdarm und die lappigen, wie gestrickten Wände des Pansen: vier Pfund für dreifünfzig. Es ist der Ekel vor Innereien, der das Rinderherz und die Schweinenieren, die Kälberlunge und Kuttelfleck billig macht. Sie nahm sich Zeit. Sie klopfte und bürstete die Lappen in- und auswendig, als seien ihr die verschwitzten Klamotten eines Sackträgers aufs Waschbrett geraten. Zwar zog sie die runzelnde Haut ab, schonte aber das Fett um den Darmansatz, weil Kaidaunenfett besonders ist: es löst sich seifig und talgt nicht.

Als für den Grobschmied Rusch und dessen Gäste das Henkersmahl gekocht wurde, wurden sieben Liter Wasser mit Kümmel, Gewürznelken, einer Ingwerwurzel, Lorbeer und grobgestoßenem Pfefferkorn aufs offene Herdfeuer gesetzt, wurden die lappigen Stücke in Streifen geschnitten und kleinfingerlang, bis der Topf voll war, zugelegt, wurde beim Aufkochen der Schaum abgeschöpft. Dann ließ die Tochter des Vaters Leibgericht vier Stunden lang bedeckt kochen. Zum Schluß ließ sie Knoblauch mitziehen, rieb Muskat drein, pfefferte nach.

Zeit, die es braucht. Das sind die besseren Stunden. Wenn das Zähe mürb werden soll, doch nicht zu beeilen ist. Wie oft haben die Nonne Rusch und ich, während die wallenden Kuttelfleck die Küche stallwarm werden ließen, am Tisch gesessen, Mühlsteine geschoben, den Seeweg nach Indien entdeckt oder Fliegen vom blanken Holz gefangen und uns vorn früheren Kuttelfleck erzählt: als wir pomorsch und noch heidnisch waren. Und von vorfrüher noch, als es nur Elchkühe gab.

Später, nachdem die Tochter ihrem Vater die letzten Fleck gekocht hatte, hat sie für reiche Böttcher auf Zunftessen, für hansische Kaufleute, denen einzig die Sundzölle wichtig waren, für feiste Äbte und für den König Batory gekocht, der die Kaidaunen sauer und polnisch wollte. Und noch später hat Amanda Woyke in ihrer Gesindeküche Kutteln mit Wruken und Kartoffeln zur Suppe verkocht und mit Liebstock gewürzt. Und noch später hat Lena Stubbe in der Volksküche Danzig-Ohra die proletarischen Kohlsuppen mit Kuttelfleck (von der Freibank) beliebt gemacht. Und heute noch kocht die Kantinenköchin der Leninwerft in Gdansk, Maria Ku-czorra, einmal die Woche Kaldauny (mit Mehl eingedickt) als Vorsuppe ab.

Wenn es dich inwendig friert: Kutteln vom vierten Magen der Kuh. Wenn du traurig, bodenlos aller Natur entfallen, todtraurig bist: Kuttelfleck, die uns lustig machen und dem Leben Sinn geben. Oder mit Freunden, die Witz haben und gottlos genug sind, um auf der Spötterbank zu sitzen: aus tiefen Tellern Kutteln löffeln, die mit Kümmel abgeschmeckt worden sind. Oder auch mit Tomaten verkocht, andalusisch mit Kichererbsen, lusitanisch mit roten Bohnen und Speck. Oder vorgekochte Kaidaunen in Weißwein mit gewürfeltem Sellerie dünsten, wenn die Liebe ein Voressen braucht. Bei trockner Kälte und Ostwind, der gegen die Scheiben steht und deine. Ilsebill ins Jammerloch treibt: mit saurer Sahne gebundene Fleck zu Pellkartoffeln, das hilft. Oder wenn wir uns trennen müssen, auf ein Weilchen nur oder ewiglich, wie damals, als ich im Stockturm saß und meine Tochter mir zum letztenmal und gepfeffert Kuttelfleck tischte. - (but)

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