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Gottfried August Bürger, Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lande, Feldzüge
und lustige Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen. In: Erwin Wackermann (Hg.),
Münchhausens wunderbare Reisen. Die phantastischen Geschichten des Lügenbarons
und seiner Nachfolger. München 1968 (dtv 527, zuerst 1833)
Kutschfahrt (2) Im Anfang war schön' Wetter, als wollt' es Frühling werden, bald wurd'
es ganz kalter Winter; wir kamen durch einen Wald von ungeheuren
Fichten und Tannen, alles bereift, untadelhaft, nicht eine
Menschenseele war des Wegs gefahren, der ganz weiß war; noch obendrein
schien der Mond in dieses verödete Silberparadies, eine Totenstille –
nur die Räder pfiffen von der Kälte. Ich saß auf dem Kutschersitz und
hatte gar nicht kalt; die Winterkält' schlägt Funken aus mir; – wie's
nah an die Mitternacht rückte, da hörten wir pfeifen im Walde; mein
Schwager reichte mir ein Pistol aus dem Wagen und fragte, ob ich Mut
habe loszuschießen, wenn die Spitzbuben kommen, ich sagte: »Ja.« Er
sagte: »Schießen Sie nur nicht zu früh.« Die Lulu hatte große Angst im
Wagen, ich aber unter freiem Himmel, mit der gespannten Pistole, den
Säbel umgeschnallt, unzählige funkelnde Sterne über mir, die blitzenden
Bäume, die ihren Riesenschatten auf den breiten mondbeschienenen Weg
warfen – das alles machte mich kühn auf meinem erhabenen Sitz. – Da
dacht' ich an ihn, wenn der mich in seinen Jugendjahren so begegnet
hätte, ob das nicht einen poetischen Eindruck auf ihn gemacht haben
würde, daß er Lieder auf mich gemacht hätte und mich nimmermehr
vergessen. Jetzt mag er anders denken – er wird erhaben sein über einen
magischen Eindruck; höhere Eigenschaften (wie soll ich die erwerben?)
werden ein Recht über ihn behaupten. Wenn nicht Treue – ewige, an seine
Schwelle gebannt, mir endlich ihn erwirbt! So war ich in jener kalten
hellen Winternacht gestimmt, in der ich keine Gelegenheit fand, mein
Gewehr loszuschießen, erst wie der Tag anbrach, erhielt ich Erlaubnis
loszudrücken; der Wagen hielt, und ich lief in den Wald und schoß in
die dichte Einsamkeit Ihrem Sohn zu Ehren mutig los. - Bettine von Arnim
an Goethes Mutter, 16.Mai 1807 (Nach: Goethes Briefwechsel mit einem Kinde)
Kutschfahrt (3) An Gemeinem ist mir nichts so Großartiges
begegnet wie drei Malteser und ein Italiener (oben auf der Postkutsdie von Constantine),
die besoffen waren wie Schweine, stanken
wie Aas und brüllten wie Tiger.
Die Herren machten obszöne Spaße und Gesten, und dazu verschlangen sie in der
Finsternis beim Schein ihrer Pfeifen Knoblauchzehen,
das Ganze war von Furzen und Rülpsern
begleitet. Was für eine Fahrt und was für eine Gesellschaft! Es war Plautus
in zwölfter Potenz. Eine Wüsterei von 75 Atmosphären! - (
flb
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