utschfahrt   Nun weiß ich nicht mehr recht, ob es in Estland oder in Ingermanland war, soviel aber besinne ich mich noch wohl, es war mitten in einem fürchterlichen Walde, als ich einen entsetzlichen Wolf mit aller Schnelligkeit des gefräßigsten Winterhungers hinter mir ansetzen sah. Er holte mich bald ein, und es war schlechterdings unmöglich, ihm zu entkommen. Mechanisch legte ich mich platt in den Schlitten nieder und ließ mein Pferd zu unserm beiderseitigen Besten ganz allein agieren. Was ich zwar vermutete, aber kaum zu hoffen und zu erwarten wagte, das geschah gleich nachher. Der Wolf bekümmerte sich nicht im mindesten um meine Wenigkeit, sondern sprang über mich hinweg, fiel wütend auf das Pferd, riß ab und verschlang auf einmal den ganzen Hinterteil des armen Tieres, welches vor Schrecken und Schmerz nur desto schneller lief. Wie ich nun auf diese Art selbst so unbemerkt und gut davongekommen war, so erhob ich ganz verstohlen mein Gesicht und nahm mit Entsetzen wahr, daß der Wolfsich beinahe über und über in das Pferd hineingefressen hatte. Kaum aber hatte er sich so hübsch hineingezwängt, so nahm ich mein Tempo wahr und fiel ihm tüchtig mit meiner Peitschenschnur auf das Fell. Solch ein unerwarteter Überfall in diesem Futteral verursachte ihm keinen geringen Schreck; er strebte mit aller Macht vorwärts, der Leichnam des Pferdes fiel zu Boden, und siehe: an seiner Statt steckte mein Wolf in dem Geschirre. Ich meines Orts hörte nun noch weniger auf zu peitschen, und wir langten in vollem Galopp gesund und wohlbehalten in St. Petersburg an, ganz gegen unsere beiderseitigen respektiven Erwartungen und zu nicht geringem Erstaunen aller Zuschauer.   - Gottfried August Bürger, Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lande, Feldzüge und lustige Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen. In: Erwin Wackermann (Hg.), Münchhausens wunderbare Reisen. Die phantastischen Geschichten des Lügenbarons und seiner Nachfolger. München 1968 (dtv 527, zuerst 1833)

Kutschfahrt (2) Im Anfang war schön' Wetter, als wollt' es Frühling werden, bald wurd' es ganz kalter Winter; wir kamen durch einen Wald von ungeheuren Fichten und Tannen, alles bereift, untadelhaft, nicht eine Menschenseele war des Wegs gefahren, der ganz weiß war; noch obendrein schien der Mond in dieses verödete Silberparadies, eine Totenstille – nur die Räder pfiffen von der Kälte. Ich saß auf dem Kutschersitz und hatte gar nicht kalt; die Winterkält' schlägt Funken aus mir; – wie's nah an die Mitternacht rückte, da hörten wir pfeifen im Walde; mein Schwager reichte mir ein Pistol aus dem Wagen und fragte, ob ich Mut habe loszuschießen, wenn die Spitzbuben kommen, ich sagte: »Ja.« Er sagte: »Schießen Sie nur nicht zu früh.« Die Lulu hatte große Angst im Wagen, ich aber unter freiem Himmel, mit der gespannten Pistole, den Säbel umgeschnallt, unzählige funkelnde Sterne über mir, die blitzenden Bäume, die ihren Riesenschatten auf den breiten mondbeschienenen Weg warfen – das alles machte mich kühn auf meinem erhabenen Sitz. – Da dacht' ich an ihn, wenn der mich in seinen Jugendjahren so begegnet hätte, ob das nicht einen poetischen Eindruck auf ihn gemacht haben würde, daß er Lieder auf mich gemacht hätte und mich nimmermehr vergessen. Jetzt mag er anders denken – er wird erhaben sein über einen magischen Eindruck; höhere Eigenschaften (wie soll ich die erwerben?) werden ein Recht über ihn behaupten. Wenn nicht Treue – ewige, an seine Schwelle gebannt, mir endlich ihn erwirbt! So war ich in jener kalten hellen Winternacht gestimmt, in der ich keine Gelegenheit fand, mein Gewehr loszuschießen, erst wie der Tag anbrach, erhielt ich Erlaubnis loszudrücken; der Wagen hielt, und ich lief in den Wald und schoß in die dichte Einsamkeit Ihrem Sohn zu Ehren mutig los. - Bettine von Arnim an Goethes Mutter, 16.Mai 1807 (Nach: Goethes Briefwechsel mit einem Kinde)

Kutschfahrt (3)  An Gemeinem ist mir nichts so Großartiges begegnet wie drei Malteser und ein Italiener (oben auf der Postkutsdie von Constantine), die besoffen waren wie Schweine, stanken wie Aas und brüllten wie Tiger. Die Herren machten obszöne Spaße und Gesten, und dazu verschlangen sie in der Finsternis beim Schein ihrer Pfeifen Knoblauchzehen, das Ganze war von Furzen und Rülpsern begleitet. Was für eine Fahrt und was für eine Gesellschaft! Es war Plautus in zwölfter Potenz. Eine Wüsterei von 75 Atmosphären!  - (flb)
 

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