Kupferstich   Das Buch, das Olivier Gratiolet liest, ist eine Geschichte der Anatomie, ein großformatiges Werk, das flach auf dem Tisch liegt und bei einer ganzseitigen Reproduktion eines Kupferstichs von Zorzi da Castelfranco, einem Schüler Mondino di Luzzis, aufgeschlagen ist, mit der gegenüberstehenden Beschreibung, die eineinhalb Jahrhunderte später François Beroalde de Verville in seinem Verzeichnis der fruchtbaren Erfindungen, bedeckt mit dem Schleier der Liebestäuschungen, die im Hypnerotomachia Poliphili dargestellt sind, davon gab:

»Der Leichnam ist nicht auf das Skelett reduziert, sondern das noch verbleibende Fleisch ist mit Erde durchsetzt und bildet ein trockenes, pappartiges Magma. Hier und da jedoch sind die Knochen teilweise übriggeblieben: am Brustbein, am Schlüsselbein, an den Kniescheiben, an den Schienbeinen. Die allgemeine Färbung ist braungelb im vorderen Teil, die untere Gesichtshälfte, schwärzlich und dunkelgrün, feuchter, ist voller Würmer. Der Kopf ist auf die linke Schulter geneigt, der Schädel ist mit weißen, von Erde durchsetzten und mit Resten von Wergleinen vermischten Haaren bedeckt. Der Augenbrauenbogen ist kahl; die untere Kinnlade zeigt zwei gelbe, halb durchsichtige Zähne. Gehirn und Hirnmasse nehmen ungefähr zwei Drittel der Schädelhöhle ein, doch ist es nicht mehr möglich, die verschiedenen Organe zu unterscheiden, aus denen sich das Gehirn zusammensetzt. Die harte Hirnhaut ist in Form einer Membrane von bläulicher Farbe vorhanden; man könnte fast sagen, dass sie im normalen Zustand ist. Rückenmark ist keines mehr vorhanden. Die Halswirbel sind noch sichtbar, obgleich zum Teil mit einer leichten, ockerfarbenen Schicht bedeckt. In Höhe des sechsten Wirbels findet man die inneren Weichteile des verseiften Kehlkopfs. Die beiden Seiten der Brust scheinen leer zu sein; sie enthalten lediglich etwas Erde und ein paar kleine Fliegen. Sie sind schwärzlich, verraucht und angekohlt. Der Unterleib ist zusammengefallen, mit Erde und Insektenpuppen bedeckt; die im Umfang eingeschrumpften Unterleibsorgane sind nicht identifizierbar; die Geschlechtsteile sind so zerstört, dass sich das Geschlecht nicht mehr ausmachen lässt. Die oberen Glieder liegen neben dem Körper, so dass die Arme, die Vorderarme und die Hände zusammen sind. Links scheint die Hand ganz zu sein, von einem mit Braun vermischten Grau. Rechts ist sie dunkler und mehrere ihrer Knochen haben sich bereits gelöst. Die unteren Glieder sind dem Anschein nach ganz erhalten. Die kurzen Knochen sind nicht schwammiger als im Normalzustand, doch sind sie innen trockener.«

   - (rec)

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