Kulturbringer   Uaiçá setzte sich und aß zusammen mit den anderen. Wie das letzte Mal trat sein Schwager langsam mit der Keule hinter ihn. Uaiçá sah es mit seinen Augen auf dem Rücken, sah ihn und wich dem Hieb aus. Die Keule schlug auf dem Boden auf und zerschlug den Felsen. Uaiçá stieg mit allen seinen Leuten und seiner Habe in die Öffnung, welche die Keule hinterlassen hatte, und sagte, bevor er endgültig verschwand: »Nun werde ich nicht mehr zurückkehren, um bei euch zu wohnen. Ihr werdet immer nur Pfeile und Keulen verwenden. Ich wollte euch noch andere Dinge lehren, die Sinaá mir aufgetragen hatte, euch zu sagen. Nun gehe ich fort und werde nie wieder kommen.«

Uaiçá ist immer noch im Pedra Seca, einem Felsen im mittleren Xingu. Alles, was er besaß, ist noch dort. Es ist alles zu Stein geworden. Berührt jemand etwas davon, die Töpfe, die Pfeiler, so wird er krank und stirbt. Will jemand dort einen Acker bestellen, so trägt der Wind alles davon. Vor langer Zeit gingen die Juruna dort vorüber und sahen die geöffnete und erhobene Hand Uaiçás auf einem Stein. Dort wohnt er. Er wollte, daß die Juruna hineinkämen, aber diese fanden die Tür nicht und hatten Angst.   - Südamerikanische Indianermärchen. Hg. Felix Karlinger und Elisabeth Zacherl. München 1992 (Diederichs, Märchen der Weltliteratur)

Kulturbringer (2)  In Annam lebte ein Mann namens Sü, der fuhr als Kaufmann über das Meer. Plötzlich wurde er von einem großen Sturme an eine ferne Küste verschlagen. Zerklüftete Berge erhoben sich, von üppigem Grün bewachsen. Doch sah er auf dem Lande etwas, das Menschenwohnungen glich. So nahm er denn Wegzehrung zu sich und stieg ans Ufer. Kaum war er Uns Gebirge eingetreten, so sah er auf beiden Seiten die Öffnungen von Höhlen, dicht gereiht wie Bienenkörbe. Er blieb stehen und sah in eines der Löcher hinein. Da waren zwei Oger darin, die hatten Zähne wie Speere. Ihre Augen glichen feurigen Lampen. Mit den Krallen zerrissen sie einen rohen Hirsch und fraßen ihn auf. Er erschrak bei diesem Anblick aufs äußerste und wollte entfliehen; aber die Oger hatten ihn schon erblickt, fingen ihn ein und nahmen ihn mit sich in ihre Höhle. Die beiden Wesen redeten miteinander in tierischen Lauten. Sie rissen ihm die Kleider vom Leib und wollten ihn auffressen. Da nahm er eiligst aus seinem Sack Brot und Dörrfleisch hervor und bot es ihnen dar. Sie teilten es, aßen es auf, und es schien ihnen zu schmecken. Sie durchsuchten abermals seinen Sack; er aber winkte mit der Hand, um ihnen anzudeuten, daß er nichts mehr habe. Dann sprach er: »Laßt mich los! Ich habe in meinem Schiffe Pfannen und Töpfe, Essig und Würzen. Damit kann ich euch Speisen kochen.«

Die Oger aber verstanden nicht, was er sagte, und waren immer noch böse. Da suchte er, sich durch Zeichen mit der Hand verständlich zu machen, und schließlich schienen sie ein wenig zu verstehen. Er ging mit ihnen ans Schiff, holte sein Kochgeschirr in die Höhle, sammelte Reisig, zündete ein Feuer an und kochte die Überreste des Hirsches. Als es gar war, gab er ihnen davon zu essen. Die beiden Wesen fraßen mit großem Behagen. Darauf gingen sie zur Höhle hinaus und verschlossen die Öffnung mit einem großen Felsblock. In kurzer Zelt kamen sie wieder und hatten noch einen Hirsch gefangen. Der Kaufmann häutete ihn, holte frisches Wasser, wusch das Fleisch und kochte davon einige Kessel voll. Plötzlich kam eine ganze Herde von Ogern herbei, die fraßen das Gekochte auf. Darüber wurden sie recht munter. Alle deuteten auf den Kessel, der ihnen zu klein zu sein schien. Nach drei, vier Tagen brachte einer der Oger einen großen Kessel auf dem Rücken herbeigeschleppt, der von nun an immer benützt wurde.

Jetzt drängten sich die Oger um den Kaufmann, brachten Wölfe und Hirschantilopen, die er für sie kochen mußte, und wenn sie gar waren, so riefen sie ihm zu, daß er mitessen solle.

So vergingen einige Wochen, und sie wurden allmählich mit ihm vertraut, so daß sie ihn frei herumlaufen ließen. Der Kaufmann hörte mit der Zeit auf die Laute, die sie ausstießen, und lernte sie verstehen. Ja, es dauerte nicht lange, da konnte er selber die Sprache der Oger reden. Darüber waren diese um so mehr erfreut. Sie brachten ein Weibchen her, das sollte der Kaufmann heiraten. Er aber fürchtete sich vor ihr und wagte sich nicht in ihre Nähe. Das Ogermädchen aber nahm ihn mit Gewalt zum Mann und hatte eine große Freude an ihm. - (chm)

Kulturbringer (32)   Immer, wenn er einen Ort verließ, malte er ihnen einen Webstuhl auf einen ebenen, glatten Felsen (wie man es noch heute in einigen Gegenden sehen kann), im Falle daß sie vergessen sollten, was er sie gelehrt hatte, wie sie ja auch viele andere gute Dinge vergessen haben, die er ihnen gepredigt haben soll, einem jeglichen Orte in seiner besonderen Sprache, was großes Staunen hervorrief. Er lehrte sie auch Kreuze zeichnen und sie in den Mustern der Gewebe, die sie trugen, anbringen . . .

Von Bosa zog er nach den Orten Fontibon, Bogota, Serrezuela und Cipacon, von wo er an den Abhängen des Gebirges nach Norden zurückkehrte, dort und überall, wo er wandelte, Wege bahnend durch Wälder und Dickichte. Dann machte er in Cota halt, wo er einige Tage verweilte, um unter großem Zulauf aus allen benachbarten Orten zu predigen. Dies geschah von einem etwas erhöhten Platz aus, um den sie rings einen Graben von mehr als zweitausend Schritt zogen, damit er von der zusammenströmenden Menge nicht überrannt werde und ungehinderter predigen könne. Daselbst wurden später in frommem Andenken an Ihn Heiligtümer und Gräber von den vornehmsten indianischen Häuptlingen angelegt. Des Nachts zog er sich in der ganzen Zeit, die er in Cota verbrachte, in eine Höhle am Fuße des Gebirges zurück. Von dort setzte er seine Wanderung nach Nordosten fort, bis er in die Provinz Guane gelangte, wo noch viele Erinnerungen an ihn fortleben. Es heißt auch, daß es dort Indianer gegeben habe, die in den Künsten so erfahren waren, daß sie ihn, wenn auch sehr roh, in Stein nachbildeten, samt den Bildern von Kelchen, wie es heute noch zu sehen ist, und zwar innerhalb der Höhlen am Ufer des großen Sogamoso-Flusses, in die er sich zurückzog. Von Guane wandte er sich wieder gen Osten und betrat die Provinz Tunja und das Tal von Sogamoso, wo er verschwand ...

Sobald er fort war, kam nach übereinstimmenden Berichten eine Frau in dieses Land, von großer Schönheit und glänzender Erscheinung, die gegen die Lehren ihres Vorgängers sprach und die Menschen dadurch beschwatzte. Auch ihr werden verschiedene Namen gegeben. Die einen nennen sie Chie, andere Guitaca, andere Xubchasgagua; die es aber ihrer Meinung nach am besten wissen, versichern, daß sie Bachue gewesen sei, die alle Menschen gebar, sich dann in eine Schlange verwandelte und in dem See von Iguaque verschwand. Ihren Weisungen folgte man viel mehr als denen ihres Vorgängers, denn sie predigte ihnen ein zügelloses Leben, Ausschweifungen, Spiele und Trinkgelage. Darum verwandelte Chimizagagua sie in eine Eule und bewirkte, daß sie nur in den Nächten ihre Wege ging, wie sie es jetzt noch tut. Von nun an verfiel die gute Lehre, die Chimizagagua den Menschen gebracht hatte.   - (azt)

 

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