ultur,
industrielle
Soldaten und Führer haben immer noch ein viel höheres Verhalten zueinander als
Arbeiter und Arbeitgeber. Einstweilen wenigstens steht alle militärisch begründete
Kultur noch hoch über aller sogenannten industriellen Kultur: letztere in ihrer
jetzigen Gestalt ist überhaupt die gemeinste Daseinsform, die es bisher gegeben
hat. Hier wirkt einfach das Gesetz der Not: man will leben und muß sich verkaufen,
aber man verachtet den, der diese Not ausnutzt und sich den Arbeiter kauft.
Es ist seltsam, daß die Unterwerfung unter mächtige, furchterregende, ja schreckliche
Personen, unter Tyrannen und Heerführer, bei weitem nicht so peinlich empfunden
wird als diese Unterwerfung unter unbekannte und uninteressante Personen, wie
es alle Größen der Industrie sind: in dem Arbeitgeber sieht der Arbeiter gewöhnlich
nur einen listigen, aussaugenden, auf alle Not spekulierenden Hund von Menschen,
dessen Name, Gestalt, Sitte und Ruf ihm ganz gleichgültig sind. Den Fabrikanten
und Großunternehmern des Handels fehlten bisher wahrscheinlich allzusehr alle
jene Formen und Abzeichen der höheren Rasse, welche erst die Personen
interessant werden lassen; hätten sie die Vornehmheit des Geburtsadels im Blick
und in der Gebärde, so gäbe es vielleicht keinen Sozialismus der Massen. Denn
diese sind im Grunde bereit zur Sklaverei jeder Art, vorausgesetzt, daß der
Höhere über ihnen sich beständig als höher, als zum Befehlen geboren legitimiert
— durch die vornehme Form! Der gemeinste Mann fühlt, daß die Vornehmheit nicht
zu improvisieren ist und daß er in ihr die Frucht langer Zeiten zu ehren hat,
— aber die Abwesenheit der höheren Form und die berüchtigte Fabrikanten-Vulgarität
mit roten feisten Händen bringen ihn auf den Gedanken, daß nur Zufall und Glück
hier den einen über den anderen erhoben habe: wohlan, so schließt er bei sich,
versuchen wir einmal den Zufall und das Glück! Werfen wir einmal die
Würfel! - Friedrich Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft (1882)
|
||
|
||