Kultur, erotische  »Ihr ollen Männer« sagte Grete Susmanski, »was ich mir schon aus Geist mache, da steige ich lieber in's Reich der Mütter, ich meine das von Goethe!« - So war sie nun mal, die Grete. Schon als Backfisch teilte sie moralische Ohrfeigen an ihre recht zahlreichen Anbeter aus. Sie war die richtige Erotiktaktikerin. Im späteren Leben war sie allerdings noch mehr als gegen den männlichen Geist gegen die Verführungskünste der Männer, - Männer, sagte sie, »sind immer die Schlauen, sie bezahlen stets und unter allen Umständen zu wenig, auch wenn wir ihnen das Fell noch so sehr über die Ohren ziehen - ja, ja, diese Männer, achgottedoch, was für Schweine! und wir armen Frauen fallen drauf rein!!« Damit hatte sie nun allerdings vollkommen recht. Sie, die Grete Susmanski, war eine famose Frau, nur so auf ihrer Suche nach dem Ideal, nach dem Vater ihres richtigen Herzenskindes etwas auf Abwege geraten, wie das in unserer Zeit öfter vorkommt. Bei ehrenfesten Leuten, etwa Stadtrat Münzer, galt Grete als Ausbund der Verworfenheit - aber du liebe Zeit, diese Begriffe sind doch sehr relativ! Sie war mal im Begriff gewesen, nachdem sie 6 Jahre verheiratet war, dem Manne ihrer Wahl als reine Jungfrau zu folgen - oh bitte, sowas kriegen Frauen fertig, sie bleiben innerlichst ganz unberührt - aber auf der Reise traf sie den bekannten Normalbürger und Butterschieber Puffke. Puffke wurde ihr Verderb, oder wenn man so will, ihr Glück. Zunächst half sie dem Puffke zur Verwirklichung seiner erotischen Pläne. Unser Schieber war für's Romantische, für Perversität, aber auch für 'ne kräftige Orgie in einem extra dazu von einem modernen Expressionisten eingerichteten Schlafzimmer - die ganze Fensterwand mit Mullgardinen, die wie große Orchideen abgebunden waren, verschleiert; die Wand, an der das Bett stand - ein Furioso in Rot, zur Anfeuerung der Sinne; das Bett selbst war mit Spiegeln versehen (zum Betrachten der Körperstellungen) und vor allem: es hatte an der der Türe zugewandten Seite eine hohe pyramidenförmige Eckausbuchtung - damit unvermutet Eintretende das in ihm sich ergehende unkeusche Paar nicht sofort sehen konnten. Dies Schlafzimmer war einzig; Grete Susmanski liebte dafür den Puffke 2½ Prozent inniger. Der Puffke kam auf seine Rechnung, er hatte den physischen Genuß der Frau und das Kulturbewußtsein - und die Grete hatte vor ihren Freundinnen eine Sensation voraus. Seidne Strümpfe zu 300 Mark das Paar, oder Spitzenhöschen - das konnte jede haben; ein solches Schlafzimmer stand einzig da. Und wenn nun noch gar auf Anregung des Puffke eine zweite Frau mitagierte, um mit Grete zusammen dem Puffke lesbische Szenen vorzuführen - der Mann band jede in 'ner anderen Zimmerecke fest und die Weibsen mußten so tun, als sehnten sie sich zueinander - so war dies doch wirklich sehr modern!  - Raoul Hausmann, Puffke und die erotische Kultur. In:  R. H.,  Bilanz der Feierlichkeit. Texte bis 1933 Bd. 1. München 1982
 
 

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