ulissen  Hinter der Tür befand sich eine Art Lagerraum, in dem Requisiten für den Karneval aufbewahrt wurden: große Masken aus Pappmache für den Umzug, Plastikblumen und bunte Kulissen. Eine Eisentreppe im Hintergrund führte zu den Waschräumen. Elena war oben angekommen, als Bürgermeister Liolà den Raum betrat und sich suchend umschaute. Kurz darauf erschien Frau Battaglia in ihrem hübschen violetten Kleid und nahm ihn bei der Hand. Einen Augenblick lang lauschten beide aufmerksam, ob jemand oben in den Toiletten sei, dann verschwanden sie hinter einer der großen Kulissen, so daß sie nur vom oberen Ende der Treppe aus gesehen werden konnten, wo Elena stand.

Die Frau Rektor ließ den Kopf schlaff in den Nacken sinken, der Herr Bürgermeister legte die Arme um ihre Taille, drückte seinen Unterleib kräftig gegen den ihren und küßte sie genießerisch. Es folgten einige konvulsivische Bewegungen, die der Bürgermeister dazu ausnutzte, ihren Rock wie zufällig nach oben zu schieben, aber sie sperrte sich, »Nicht, Liebling, nicht hier«, und ließ sich auf die Knie sinken. Mit fixen kleinen Fingern begann sie, seine Hosen aufzuknöpfen, sah ihn von unten mit einem ängstlichen Lächeln an, als müßte sie ihn um Verzeihung bitten, und zog dann mit einem kleinen schrillen Schrei ein langes, dunkles Glied hervor, das noch ein wenig schlaff war.

Bürgermeister Liolà ließ das Kinn auf die Brust sinken, stand breitbeinig mit halboffenem Mund und einem schwachsinnigen Lächeln da, hielt seine Hose fest und warf von Zeit zu Zeit einen ängstlichen Blick auf die Karnevalsmasken.

Sie rollte sein Ding zwischen den Fingern, direkt vor ihrem Gesicht, und es schien eine unerhört komische Wirkung auf sie auszuüben, denn sie kicherte fortgesetzt. Sie betastete es, hielt es mit zwei spitzen Fingern in die Höhe, legte es sich an die Wange, schaute es verzückt an und gab bei jeder Bewegung einen leisen Jauchzer von sich.

›Das ist also die arme Ehefrau mit dem rheumatischen Fieber, das in Palermo behandelt werden muß‹, dachte Elena belustigt. Sie verlagerte ihr Gewicht ein wenig und trat versehentlich gegen eine der großen Plakatwände, die vor ihr an der Wand lehnten. Das Gerüst begann zu rutschen und fiel mit Getöse zu Boden.

Frau Battaglia sprang erschrocken auf und überließ das Ding sich selbst. Es vibrierte. Bürgermeister Liolà gab einen leisen Schrei von sich, zog sich eilig die Hose hoch und begann sich zuzuknöpfen. Ängstlich schaute er sich um, während er mit der Faust gegen das Ding schlug, um es rasch in der Hose zu verstauen. Er knöpfte sich auch die Jacke zu und hielt nach der Signora Ausschau, die sich auf allen vieren zwischen zwei Kulissen verkrochen hatte.  - Giuseppe Fava, Ehrenwerte Leute. Zürich 2003 (zuerst 1975)

Kulissen (2)   Unverhofft, nach mehreren schmalen Seitenstraßen, stand ich vor dem Trevi-Brunnen, ein marmornes flaches tiefer als die Straße gelegenes Becken mit Wasser inmitten eines verblaßten, engen, sich drückenden Häusergewimmels.

Ich mußte wieder kichern, denn das war so monströs im Verhältnis zu dem geringfügig zur Verfügung stehenden Platz, der die Monstrosität des Brunnenaufbaus noch einmal verstärkte und wie eine gigantische Wahnidee wirken ließ: hier die wirklich abgetakelten Hausfronten, mit den unten hineingebrochenen Läden und Bars, schiefe Fenster, große abgeblätterte Stellen Putz, gelb verblaßt und rötlich verblaßt, darin die schmalen Rinnsale der Straßen, und darin eingesetzt die weißlichen Steinformen, im Grunde nichts als die Verkleidung eines hier endenden Häuserblocks, die einen schwer nach unten gesackten Eindruck macht - eine Steinkulisse, an das Haus angeklatscht, mit einer Wassermulde davor - deutlich ist dies Angeklatschte zu sehen, zwei, drei Schritte seitlich davon links und rechts kommen die üblichen glatten Seitenwände des Gebäudes.

Vor allem die Enge ließ die breit ausladende Brunnenkonstruktion wirklich buchstäblich komisch erscheinen. - Ein riesiger Kitsch. - Über allem wieder eine Papstrone, - und so das Ganze, als habe hier ein gigantisch-aufgeschwollener Filmregisseur die Kulisse für einige kurze Szenen nach Beendigung der Dreharbeiten stehengelassen.

Ein steingewordener menschlicher Gedanke, ein Gehirnschnörkel, der jetzt mit Touristen umstanden ist:amerikanisches Hausfrauengequäke, erschöpfte Asiaten, eine ältere japanische Frau in Kimono mit Brille, zwei Fotografen schlichen herum. Dazu die Postkartenhändler.

Den Geist der dick-tittigen, stark-schenkeligen Schwedin Anita Ekberg sah ich nicht, wohl die üblichen Bilder von Puff-Fotzen auf den Titelblättern am Kioskstand. - Überhaupt wirkt im Kino alles größer, weiter und überwältigender, Lichtgaukeleien, Projektionen. - (rom)

Kulissen (3) Was für einen großartigen Abend ich am Freitag in den Kulissen des Zirkus verbracht habe, in Gesellschaft des Friseurs jener Damen. Frédéick Lemaître hatte ihn besoffen gemacht, und Person hat ihn völlig erledigt. Er war roter als die Schminkdöschen auf dem Toilettentisch, er triefte von Cold Cream, von Schweiß und Wein. Die beiden Lampen ließen einen vor Hitze umkommen. Durch das offene Fenster sah man ein Stück des schwarzen Himmels, Theaterkostüme lagen über den Boden verstreut, Person brüllte unter den Händen des bezechten Künstlers, der ihm Haare ausriß. Ich hörte die Tänze von der Bühne und das Orchester. Ich sog alle möglichen Gerüche von Frauen und Kulissen ein, das Ganze vermischt mit den Rülpsern des Friseurs; enorm, enorm! - (flb)

Kulissen (4)

- N. N.

Kulissen (5)  Heute, 6. 12. scheint heftige Sonne, Licht in leeren Bäumen, Licht auf den lackig-glänzenden Blätterbäumen. - Geht es noch um Konvention, um einen gesellschaftlichen Tonfall? Ist das der Maßstab, nach dem Gegenwart gemessen wird? Zuerst wird immer gesagt, aber der Tonfall, nein, so nicht - und kein Mensch blickt mehr auf das, was gesagt wird - der Tonfall liegt ihnen am Herzen, sie wollen ihr Gemüt beruhigen wie ein gesticktes bürgerliches Kopfkissen (und verdammt noch mal, die Schriftsteller dieses Jahrgangs sind alle erbärmlich bürgerlich-kitschig und stink-konventionell, sie haben Schnittmuster-Bogen des Bewußtseins an sich angelegt, sie schneiden es, was vorhanden ist, immer nach dem Schnittmuster-Bogen der gegenwärtigen Aktualität - die Konvention stinkt schon, die Verwesung ist zu riechen - aber vielleicht ist der Großteil der heutigen deutschen Schriftsteller schon selber am Verwesen.) - Ich sehe nach draußen, scharfes Dezember-Sonnenlicht mittags, hängt in den großen Pflanzen - Gedanken pflegen, die sich wie große, grüne Blätter ausbreiten - ist es ein Zeichen, gehört es dazu, daß Zwischenmenschliche Kommunikation heute um jeden Preis betrieben wird und betrieben werden soll - ist diese Kommu-nikations-Sucht, diese Sprechsucht, nicht wie Rabattmarkensammeln, billiger haben wollen, - was haben die Kommunikationssüchtigen denn zu sagen? - Ich sehe durch die offene Tür nach draußen in das grelle, weiße Mittagslicht - die Tür ist geöffnet, die Katze kommt, die Katze geht, die Sonne brennt auf der schwarzen abgeschabten Cordhose auf dem rechten Oberschenkel. - Dasselbe Stipendiums-Geld, eine aufgegebene Ein-Klassige-Volksschule bewohnen im Hümmling: das wäre auch etwas - für mich -1 Jahr - ein Dorf von 500 bis Tausend Einwohnern abgelegen herum - das Göthe-Institut mit dem Baron kann mir den Rücken runterrutschen: alles gesellschaftlich verwest, leere Körper in guten Anzügen, und die Damen geben auch ihren Gehirn-Mist zum besten. „Eine Dame spricht jetzt."

So gehe ich durch eine abgetakelte Kulisse: leere Körper, Wortfetzen, die auf die Art zerrissener Bühnenbilder umherhängen.  - (rom)

 

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