ümmel    Er lächelte wieder. «Kümmel für beide!» befahl er dem Kellner und wandte dann seine Aufmerksamkeit einem kleinen Papierpäckchen zu, das er aus der Tasche gezogen hatte. «Solche Stunden», sagte er, «nach dem Abendessen sind die Stunden der kleinen Dinge des Lebens. Da hab ich ein Stückchen unveröffentlichter Weisheit.» Er öffnete das Päckchen mit zitternden gelben Fingern und zeigte mir ein Häufchen mattrosa Pulvers.

«Das — » fuhr er fort — «nun, Sie sollen selber raten, was es ist. Aber Kümmel — wenn man bloß die Spur von dem Pulver hineingibt — ist der reine Himmel!» Und seine großen, blaßgrauen Augen beobachteten mich mit einem unergründlichen Ausdruck.

Fast hatte es für mich etwas Verletzendes, daß dieser große Meister seinen Geist mit dem Aroma von Likören beschäftigen konnte. Trotzdem tat ich, als interessiere ich mich sehr für diese seine kleine Schwäche; ich war schon betrunken genug für solch kleine Kriechereien.

Er verteilte das Pulver in die kleinen Gläser, und indem er sich plötzlich mit seltsamer und unerwarteter Würde erhob, streckte er mir seine Hand entgegen. Ich tat es ihm nach, und die Gläser klangen zusammen. «Auf eine baldige Thronfolge! » sagte er und hob das Glas an die Lippen. «Nicht darauf!» sagte ich hastig. «Nicht darauf!» Er hielt inne. Das Glas war ungefähr in der Höhe seines Kinns, seine Augen bohrten sich in meine. «Auf ein langes Leben!» sagte ich. Er zögerte. «Auf ein langes Leben!» wiederholte er dann mit einem plötzlichen bellenden Lachen; und mit ineinanderverschlungenen Blicken leerten wir die kleinen Gläschen. Sein Blick haftete fest an dem meinen, und während ich das Zeug hinunterschluckte, hatte ich ein merkwürdig durchdringendes Gefühl. Der erste Tropfen auf meiner Zunge brachte mein Hirn in wütenden Aufruhr; es war, als empfände ich eine tatsächliche physische Regung in meinem Schädel, und ein zischendes Brausen füllte meine Ohren. Ich fühlte nichts von dem Geschmack auf meiner Zunge, dem Aroma in meiner Kehle. Ich sah bloß die graue Eindringlichkeit seines Blicks, der in dem meinen brannte. Der Trank, die Verwirrung meines Geistes, das Lärmen und Regen in meinem Kopf — alles schien eine endlose Zeit zu dauern. Seltsame unklare Eindrücke von halbvergessenen Dingen wirbelten und schwanden an der Grenze meines Bewußtseins. Schließlich brach er den Bann. Mit einem plötzlichen lauten Seufzer setzte er sein Glas nieder. «Nun?» sagte er. «Wundervoll!» sagte ich, obschon ich das Zeug gar nicht geschmeckt hatte. Mein Kopf wirbelte. Ich setzte mich. Mein Gehirn war ein Chaos.   - Herbert George Wells, Die Geschichte des verstorbenen Mr. Elvesham. In: H.G.W., Die Tür in der Mauer. Stuttgart 1983. Die Bibliothek von Babel Bd. 29, Hg. Jorge Luis Borges
 

Schnaps Droge Würze

 

Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme