Kotzphobie  Beim Anblick der noch relativ gut erhaltenen Leiche hatte sich Constable Carter, der noch nicht lange bei der Polizei war, tapfer gehalten. Völlig unvorbereitet aber traf ihn der unbeschreibliche Gestank, der schon vor der Anweisung des Inspector, die Umhüllung zu öffnen, von dem Toten ausging, dieses Gemisch aus fauligem Flußwasser, verstopften Abflüssen und bevorstehendem Verfall - ein wahrer Todeshauch. Und Constablc Carter hatte sich abgewandt, ziemlich geräuschvoll in die Themse gekotzt und gehofft, daß vielleicht niemand etwas gemerkt hatte.

Natürlich hatten aber fast alle, auch die Zuschauer auf dem Olymp, den kurzen, peinlichen Vorfall registriert.

Und jetzt war Morse dran.

Phobien sind relativ häufig. Manche Menschen leiden an einer Arachnophobie oder Hypsophobie, einer Myophobie oder Pterophobie... Fast jeder leidet hin und wieder an Thanatophobie, viele an Nekrophobie, auch wenn Morse, wie er sich immer wieder sagte, keine Angst vor Toten hatte. Nein, er litt an einer völlig neuartigen, offenbar ihm ganz allein vorbehaltenen Phobie: der Angst, ihm könne beim Anblick von Menschen, die unter ungeklärten Umständen oder auf besonders grausame Art den Tod gefunden hatten, schlecht werden. Selbst Morse mit seiner humanistischen Bildung hatte für eine solche Phobie keinen hinreichend anschaulichen oder etymologisch treffenden Ausdruck finden können, der im übrigen auch viel zu lang und zu prätentiös ausgefallen wäre.

Weil aber Morse im Gegensatz zu Constable Carter ein alter Hase war, hatte er den Flußmeister beiseite genommen und sich rasch den Weg zur nächsten Toilette zeigen lassen, so daß er sich an diesem Sonntagvormittag nicht in die Themse, sondern in eine Kloschüssel in der Flußmeisterei erbrach.  - Colin Dexter. Die Leiche am Fluß. Reinbek bei Hamburg 2002

Kotzen Phobie

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