Kosmologen    Aus einem strohgedeckten Pavillon vor Sandage brandete der Lärm von etwa vierzig Astronomen und Physikern, die in Gedanken den Kosmos durchstreiften, sich die Köpfe um Galaxien heißredeten und Eiswürfel in ihren Cocktailgläsern klingeln ließen.

»Das wird ein Spießrutenlaufen«, brummte Sandage.

Jetzt, da Sandage in den Pavillon starrte, aus dem die anderen hinausstarrten, wurde Tullys Spiel offensichtlich. Der Raum war voller Feinde. Er hatte alle Widersacher zusammengetrommelt, alle extragalaktischen Barone, die nie mit einem anderen sprachen, ohne über einen dritten herzuziehen. Alle diese Leute, die die Listen der Redner überflogen und dann absagten, standen jetzt, tropische Drinks kippend, wie gierige Haie in kleinen Schwärmen herum und warfen sich vielsagende Blicke zu.

Aaronson und sein alter Freund vom Caltech, Jeremy Mould, ein rothaariger Australier mit der Haltung eines Gockels; Gérard de Vaucouleurs, Sandages erbittertster und lautester Kritiker; und der kanadische Kosmologe Sidney Vandenbergh, der ebensowenig zum Lager der Hubble-Konstante gehörte und deshalb oft beauftragt wurde, Artikel darüber zu schreiben. Vandenbergh, ein Mann mit braungebrannter Spiegelglatze und einem weiten weißen Hawaii-Hemd, erinnerte an einen indischen Jogi. Viele der jungen Kosmologen unter Dreißig hatten Allan Sandage, den Pionier auf ihrem Gebiet, noch nie gesehen oder gar mit ihm gesprochen. Und kaum einer hatte ihn zusammen mit de Vaucouleurs gesehen.

Dann ging ein Raunen durch die Menge: Sandage ist da. Sandage.

»Nun«, meinte er achselzuckend und zeichnete mit den Fingern eine Schachtel in die Luft, »wir sind alle in dieser Gamowschen Kiste. Die Frage ist, ob wir uns einen Tunnel hinaus graben können ...«, rechts und links wurde gewinkt, » ... oder ob wir uns gegenseitig fertigmachen.« Er holte tief Luft und tauchte in der Menge unter. Die Leute wichen auseinander.

Sandage schritt auf de Vaucouleurs zu und legte ihm den Arm um die Schultern. »Tragen wir es aus wie ehrbare Männer«, schlug er trocken vor.

De Vaucouleurs war wachsbleich im Gesicht. In seinem Mantel, mit der Krawatte, der dunklen Brille, dem graumelierten Haar und der Aktentasche, mit der er verwachsen schien, wirkte er wie ein kleiner Mafioso, der bei der Verhaftung seine Unschuld beteuert. Er machte sich sofort aus Sandages Umarmung frei und beklagte sich, daß er von ihm und Tammann kürzlich in einem Artikel kritisiert worden sei.

Er belehrte Sandage darüber, daß man seine Kritik so zu veröffentlichen habe, daß man darauf reagieren könne. Dann sagte er vorwurfsvoll, er, Sandage, habe ihm schließlich selbst vorgeschlagen, zu einer Streitfrage nichtöffentlich Stellung zu beziehen, denn sie beide seien die einzigen, die sie verstünden. Sandage erinnerte de Vaucouleurs daran, daß er ihm empfohlen habe, in Rente zu gehen.   - Dennis Overbye, Das Echo des Urknalls. München 1993

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