Er haut Jupitern den Kopf auf.
Ha! was ist das? ein Mädchen in vollständiger
Rüstung! Nun wundert es mich nicht länger, daß du so gräuliches Kopfweh
hattest, und eine Zeit her so böser Laune warst! Es ist kein Spaß, eine
so große Prinzessin, und von Fuß auf gewaffnet, unter der Hirnhaut auszubrüten!
— Wie ? Sie tanzt schon den Waffentanz ohne ihn gelernt zu haben ? Wie
sie sich dreht und aufhüpft und den Schild schüttelt und den Speer schwingt,
und von ihrer eigenen Gottheit zusehends immer stärker begeistert wird!
Aber das vornehmste ist, daß sie so schön, und in so wenig Augenblicken
schon mannbar geworden ist. Sie hat zwar blaugrünlichte Katzenaugen aber
zum Helme steht es ihr nicht übel. Ich bitte dich, Jupiter, laß meinen
Hebammenlohn seyn, gieb sie mir zur Gemahlin!
JUPITER. Du verlangst
was unmögliches, Vulcan! Sie will ewig Jungfer bleiben. Ich für meinen
Theil wollte dir nicht entgegen seyn.
VULCAN. Das ist alles was ich
will; fürs übrige laß mich sorgen; ich will schon mit ihr fertig werden.
JUPITER
weggehend. Wenn dirs so leicht scheint, so mache was du kannst;
ich weiß aber, daß du nicht viel Freude davon haben wirst. - Lukian,
Göttergespräche. In: Lügengeschichten und Dialoge. Übersetzt und kommentiert
von Christoph Martin Wieland. Nördlingen 1985 (Die Andere Bibliothek 1,
zuerst ca. 160)
Kopfgeburt (2) «Die beiden Schakale sind auch da», sprach Zeus vor sich hin, «und da drunten lauern Bruder Hades und Vater Kronos, und vor mir steht mein verstoßener Sohn mit der Axt in der Hand, mir den Schädel zu spalten. So also habt ihr euch das gedacht! Seit langem schon wittre ich euren Verrat, liebe Schwestern und Brüder. Aber noch ist es nicht soweit!«
Er sprang auf und schrie: «Ich will ein Riese sein und bis zum Himmel ragen!», und in diesem Augenblick wuchs er bis zum Himmel auf, doch ebenso riesenhaft wurde das hämmernde Eingeschlossene in seinem Schädel. Es war, als ob Gebirge gegen seine Stirn polterten. Heulend wünschte er sich in seine alte Gestalt zurück. «Macht mit mir, was ihr wollt!» wimmerte er. «Ich kann nicht mehr!»
Hephaistos wiegte das Beil.
«Schlag zu!» flüsterte Hera. «Schlag zu, schlag zu!»
Ares lockerte seine Muskeln, Kore aber verhüllte vor Angst ihr Gesicht.
«Bruder Zeus», sprach Prometheus, «wir wollen dir nichts Böses tun. Hephaistos wird dir den Schädel öffnen, doch vorher mußt du schwören, ein besserer Herrscher zu sein. Deine Willkür muß ein Ende haben. Versprich uns das!»
Die Eingeschlossene in seinem Kopf begann wieder mit den Fäusten zu hämmern.
«Genug jetzt!» rief sie. «Genug geschwatzt! Ich will endlich hinaus! Tut etwas, sonst breche ich mir selbst einen Ausgang!»
«Schlag zu!« heulte Zeus. «Ich verspreche alles!»
Prometheus rieb die Stirn des sitzenden Zeus mit Öl ein, dann zog er aus einer Höhle im Olivenstamm einen Becher, der mit einem goldfarbnen Getränk gefüllt war, und auch der Becher war aus Gold und sein Fuß aus Rubin.
Zeus starrte den Becher mißtrauisch an. Er fürchtete, nun selbst vergiftet zu werden, so wie er damals Kronos vergiftet hatte. Gleichzeitig aber war er trotz dieser Furcht und trotz seiner Schmerzen von dem nie geschauten Gefäß entzückt.
«Wo hast du das denn gefunden?» fragte er und drehte den Becher langsam in seiner Rechten. «Auf keinem Stern habe ich je so Schönes gesehen!»«Hephaistos hat ihn gefertigt», erwiderte Prometheus. «Hephaistos hat viele schöne Dinge geschaffen, die es vorher nicht gab. Trinke ohne Furcht. Es ist bester Nektar, und es sind die Früchte des Weinstocks darin gekocht. Dieser Trank mildert alle Schmerzen!»
Zeus nickte, doch da er den Becher zum Mund hob, wurde der Kopfschmerz still. Die Eingeschlossene konnte nämlich durch die Augen des Zeus wie durch Fugen sehen, und nun sah sie das goldene Blitzen des Bechers und glaubte, das Licht breche schon zu ihr herein.
Da der Kopfschmerz verschwand, setzte Zeus den Becher ab, doch in diesem Augenblick begann die Eingeschlossene wieder zu hämmern.
«Schlag zu, schlag zu!» heulte Zeus und streckte Hephaistos die Stirn entgegen, doch als das Beil blinkend in die Höhe stieg, schlang Zeus die Arme um seinen Kopf. Hephaistos hielt inne, da sprangen Poseidon und Ares heran und drehten Zeus die Arme in den Rücken. Hephaistos hob wieder das Beil, und da er es hob, zischte ihm Hera ins Ohr: «Schlag zu, so kräftig du kannst, mein Sohn! Nun ist er in unsrer Gewalt! Hau ihn entzwei!» Das hörte Zeus, und er wand sich verzweifelt in den Fäusten seines Bruders und seines Sohnes, da fuhr das Beil schon hernieder, und seine Schneide war so scharf und ihr Schlag so genau, daß er den Schädel nur so weit spaltete, um ein igelhaft zusammengekrümmtes Wesen herausspringen zu lassen, das sich im Fallen zu einer schlanken und göttergroßen Jungfrau reckte.
«Da bin ich», sagte das Mädchen, «ich heiße Athene. Fuh, war das eng und heiß da drinnen! So also seht ihr aus. Ich kenne euch ja alle vom Hören, aber sehn konnte ich euch nur, wenn ihr ganz nah vor dem Väterchen standet. Du Große bist wohl Hera? Sei gegrüßt!»
«Sei gegrüßt, Athene, du liebes Kind», sprach Hera und legte den Arm
um die Schultern der Hauptentsprungenen. Dabei dachte sie wütend: Dieser
Hephaistos ist ja ein schrecklicher Tölpel. Er hätte Zeus entzweihacken
können. Nun ist alles auf lange Zeit dahin! - Franz Fühmann, Prometheus.
Die Titanenschlacht. In: F.F., Marsyas. Mythos und Traum. Leipzig 1993 (Reclam
Bibliothek 1449)
Kopfgeburt (3)
Kopfgeburt (4)
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