opf, rollender Der junge Häuptling Kairé wohnt nahe am Fluß. In einem kleinen Dorf wohnt er zusammen mit seiner Frau. Eines Tages geht er auf die Jagd. Einen Hirsch will er jagen, denn Häuptling Kaire und seine Frau essen gern Fleisch. Er geht in den Wald und jagt. Und als er da so lauert, sieht er, daß sich im Gebüsch etwas rührt. Er zielt und schießt seinen Pfeil ab. Er trifft: das Tier stürzt zu Boden. Häuptling Kaire geht hin. Was zieht er heraus? Einen Menschen. Einen Toten.
Kairé ist entsetzt. Da sagt der Tote: »Kairé, fürchte dich nicht. Gut, du
hast mich umgebracht, aber ich weiß, du hast es nicht absichtlich getan. Wenn
du tust, was ich dir sage, dann werde ich dir nicht böse sein.« - »Und was willst
du, das ich tun soll?« - »Schneide mir den Kopf ab und nimm ihn mit heim. Den
Leib aber wirf in den Fluß!« Kaire tut alles, was der Kopf sagt. Er schneidet
ihn ab, wirft den Leichnam in den Fluß, den Kopf aber legt er in einen Sack
und nimmt ihn mit. Er geht und geht, da sagt der Kopf: »Laß mich herausschauen!«
Kaire nimmt den Kopf heraus. »So, nun nimm einen Pfeil und schieß in jene Richtung!«
Kaire tut alles genauso. Der Pfeil trifft einen Hirsch. Kairé hat ihn gar nicht
gesehen. Der Hirsch ist tot. Kairé will sich den Hirsch auf die Schulter laden.
Aber wie soll er dann den Kopf tragen? »Laß nur!« sagt der Kopf. »Ich rolle
hinter dir her. Geh du nur voraus!« -
Südamerikanische Indianermärchen. Hg. Felix Karlinger und Elisabeth Zacherl.
München 1992 (Diederichs, Märchen der Weltliteratur)
Kopf,
rollender (2) Der da eben sprach, erhebt sich
nun. Und er reißt seinen Kopf, den er notdürftig wieder zurechtgerückt hat,
von neuem ab. Er reißt ihn sich ab mit ungewöhnlicher Kraft, mit einer Kraft,
die man diesen wenig muskulösen Armen nicht zugetraut hätte, er wirft ihn weit
von sich, seinen Kopf, dessen Augen matt und dessen Lippen geschickt waren,
er wirft seinen abgetrennten Kopf weit von sich und
er schlägt auf die Steine auf, die ihn verwunden, er rollt, er flieht, er prallt
gegen die Flanke der Berge, er kullert herunter, er läuft in die tiefen Täler;
einen Augenblick halten ihn die Lärchen im Hochwald an den Ohren
fest, doch die anfängliche Stoßkraft reißt ihn mit sich fort und die Bäume weichen
mit dem zarten Geräusch von leicht gestreiften Blättern etwas zur Seite, der
Kopf passiert und erreicht die Felder. Roll auf das bestellte Land, Kopf, in
die Saaten. Er mischt sich unter das Getreide und der Worflet erfaßt ihn mit
seiner Maschine und befördert ihn zu den anderen Hecken, wo seinerseits der
Schüler kommen wird, ihn, der unter dem schwarzen Haar blutet, aufzulesen.
»Diese Brombeere«, sagt der Bengel, »ist auf der einen Seite noch rot«, und
wirft sie ärgerlich in den Staub. Der Kopf lernt jetzt die Füße
kennen. Allerlei Leute benutzen diesen Weg im Land. Ihr Gang ist unendlich verschieden.
Ihre Schritte verraten die vielfältigen Regungen ihres Herzens. Schwere Schritte
des Landarbeiters, Schritte eines kleinen Mädchens, und der Mörder, der es eilig
hat, der ins Gras flieht und um sein Leben läuft. Und ihr, die bloßen Füße,
wie müde ihr seid, bewundernswert. Der Kopf rollt langsam
dem Meer zu. -
(ara)
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