opf, fliegender   »Was ist denn das ? !« - : »Das ? : Fliegende Köpfe.« / : Das also die rätselhafte ‹Dritte Form› von gestern ! Hexapodie ebenfalls, ja : aber über Schmetterlinge ! (Das muß auch ein deutsches Rindvieh gewesen sein, der für die paar Kleingaukler den Hammervorschlag ‹Schmetter› erfinden konnte ! Wahrscheinlich n Wiederaufrüster.)

»Willstu ein' von Nahem ?« : Sie machte sich unversehens übergroß auf den Hinterbeinen - : - : und haschte einen aus seinem Blattwinkel: da !

Und ich, mit Enthauptetem in der Hand, (oder präziser : Entrumpftem. Jedenfalls ein unbestreitbares Menschenantlitz. Und so leicht auf der Hand !)

»Náddu ? !« : - Es verdrehte angstvoll die Augen. Blökte fein und süß (und brachte dabei eine handlange Hohlzunge heraus : »ööhh ...«). / Lautlosgroße Falterschwingen. An den äußersten Spitzen einkrallige Haken (zum Einhängen an dünnen Ästen ? Nachts, zum Schlafen ?). Auch unterm Kinn noch zwei kurze Sitzfüßchen : so hatte's uns vorhin neugierig von seinem Zweig angesehen.

Ganz weich und elastisch dieser Globus: ich drückte ihn versuchsweise ein wenig mit den Fingerspitzen ein — und das federleichte Wesen hauchte wieder auf vor Unbehagen : »Ö.«

(Aber süße Gesichter ! : So einen Mund, von der raffinierten Länge, und die geile Nase dazu - hatte ich noch nicht gesehen ! (Wieso kam ich drauf, daß es ‹Eine› sein mußte ? Jedenfalls wußte ich's irgendwie.) Ich führte die italienisch=gelbe Maske entzückt an mich; oben - natürlich nur ganz leicht, zärtlich - handhaben; und das luftballonleichte Rund drückte sich gleich, flattersaugend, an mich : mmmmmm !) - Arno Schmidt, Die Gelehrtenrepublik. Kurzroman aus den Roßbreiten. Zürich 1986 (zuerst 1957)

Kopf, fliegender (2) Es ist sehr artig von dir, Lieber, daß du es in meine Wahl stellst, ob ich mit oder ohne Körper fortzuleben hoffen will. Als ich deinen Brief erhielt, saß ich eben einem großen Spiegel gegenüber, und (ich gestehe dir meine Torheit) ich konnte mich nicht entschließen, bei meiner künftigen Reise in die Geisterwelt nicht wenigstens die Gestalt, die mir entgegensah, mitzunehmen, wenn ich auch allenfalls großmütig genug sein könnte, dem palpabeln Teil meines dermaligen Doppelwesens zu entsagen.

Ob ich selbst ein zu materielles Wesen bin, oder woran es sonst liegen mag, genug, ich kann mich mit der Vorstellung einer so ganz ausgezogenen, splitternackten Seele nicht befreunden; ein wenig Draperie muß um mich herfließen; darauf habe ich, wie du weißt, nun einmal meinen Kopf gesetzt. Der subtile Leib, den du meiner Seele zugestehst, würde mir also seiner Leichtigkeit und Gewandtheit wegen nicht übel behagen; aber die Unsichtbarkeit, die du ihm (ich weiß nicht, warum) beizulegen beliebst, steht mir nicht an, und ich muß dich bitten, ihn mit so viel Lichtstoff zu durchweben, daß er wenigstens aus einem halb durchsichtigen Rosenwolkchen gebildet zu sein scheine und von meinen guten Freunden in der andern Welt ohne Anstrengung ihrer Augen gesehen werden könne. Die sublime Gestalt, worin ich dir im Traume zu erscheinen pflege, gibt mir gute Hoffnung, daß es gerade dieselbe sein konnte, in welcher ich mich ihnen zu zeigen wünsche. Indessen wittere ich doch einige Schwierigkeiten, und ich mochte wohl wissen, wie du es z. B. mit der Geschlechtsverschiedenheit zu halten gedenkst? Ich gebe zu, daß ich bei der Umgestaltung in einen Adonis oder Nireus von seiten der Schönheit mehr gewönne als verlöre; aber man ist doch immer lieber, was man ist, und wenn der ätherische Leib, den du den Leuten in der andern Welt allenfalls noch lassen willst, nichts, was vermutlich keinen Gebrauch mehr in derselben haben wird, behalten soll, so muß eine Gestalt herauskommen, gegen welche ich meine jetzige nicht vertauschen möchte. Wie viel fällt bloß deswegen weg, weil wir (denke ich) nicht mehr essen und trinken oder wenigstens, um uns von Nektar und Ambrosia zu nähren, keine so animalischen Verdauungs- und Absonderungswerkzeuge nötig haben werden wie dermalen? Und was wollten wir mit Armen und Beinen machen, da vermutlich alle die Bedürfnisse und Verrichtungen, wozu sie in diesem Leben notig sind, dort aufhören werden? Kurz, ich sehe nicht, was von unsrer jetzigen Organisation übrig bleiben konnte als der Kopf, an welchen etwa noch ein Paar Flügel gesetzt werden könnten, die ihm zugleich zur Bewegung und zur Einhüllung dienen würden. Wirklich gefällt mir diese Idee immer besser, je mehr ich ihr nachdenke, und mir ist, ich würde mich an eine so leichte geistige Existenz in Gesellschaft guter und schöner Köpfe sehr bald gewöhnen können.

Aber ein bloßer Kopf, meint die kleine Musarion, wäre doch ihre Sache nicht; sie kann sich keine Glückseligkeit ohne Liebe denken, und eine Liebe, die bloß im Kopfe sitzt, scheint ihr etwas so Kaltes und Langweiliges, daß sie lieber ganz darauf Verzicht tun wollte. - Christoph Martin Wieland, Aristipp und einige seiner Zeitgenossen. Frankfurt am Main 1984 (it 718, zuerst 1802)

Kopf, fliegender (3)  Hätte die Natur nicht gewollt daß der Kopf den Forderungen des Unterleibes Gehör geben sollte, was hätte sie nötig gehabt den Kopf an einen Unterleib anzuschließen. Dieser hätte sich ohne eigentlich dasjenige zu tun was man Sünde nennt satt essen und sich satt paaren und jener ohne diesen Systeme schmieden, abstrahieren und ohne Wein und Liebe von platonischen Räuschen und platonischen Entzückungen reden und singen und schwatzen können.  - (licht)

Kopf, fliegender (4)   Kr sagte, er sei Hakim, Sohn des Osman, und es sei im Jahr 146 nach der Flucht nach Medina ein Mann in sein Haus gedrungen und habe ihm nach Reinigung und Gebet mit einem Reitersäbel das Haupt vom Rumpf getrennt und es bis zum Himmel emporgetragen. Ruhend auf der rechten Hand des Mannes (der der Engel Gabriel gewesen sei) habe sein Haupt vor des HErrn Angesicht geweilt, der ihm aufgetragen habe, zu weissagen, und der Worte von so hohem Alter in ihn eingesenkt habe, daß ihre Wiedergabe die Münder versengen würde, und er habe einen Glorienschein über ihn ausgegossen, den sterbliche Augen nicht zu ertragen vermöchten.  

...  Nachdem er seinen Auftrag verkündet hatte, rief Hakim zu einem heiligen Krieg  —  einem Dschihad  —  auf und zum Martyrium, das ihn gebührend kröne. - Jorge Luis Borges, Universalgeschichte der Niedertracht, nach (bo3)

Kopf, fliegender (5)

- Kelvingrove Museum Glasgow

Kopf, fliegender (6)  Sie war schwarz gekleidet, ihr Gesicht war durch ein schwarzes Schleierchen verdeckt, und ihr Haar, das ich weiß und immer etwas lockig in Erinnerung hatte, war von einem Hut bedeckt. Es schien, als sei sie von einem dunklen Glorienschein eingerahmt. Das gefiel mir, und ich versuchte mir einzureden, diese Frau sei nur ein Bild meiner Vorstellungskraft. Es fiel nicht schwer, denn der Raum war fast ganz ms Dunkel getaucht, und die einzige brennende Kerze beleuchtete schwach ihr gepudertes Gesicht. Alles andere ging in der Dunkelheit unter, so daß es scheinen konnte, als hätte ich nur einen Kopf vor mir, einen vom Körper getrennten Kopf, ungefähr einen Meter über der Erde schwebend. Aber da begann die Prinzessin zu sprechen, und jedes andere Abschweifen war in diesem Moment unmöglich.

«Ecoutez donc, monsieur», sagte sie, «ce qui m'arriva il y a quarante ans, quand j'étais encore assez jeune pour avoir le droit de paraître folle.» Sie fuhr mit ihrer zarten, zerbrechlichen Stimme fort, eine ihrer unzähligen Liebesgeschichten zu erzählen: Ein französischer General war ihr zuliebe Schauspieler geworden und wurde eines Nachts von einem betrunkenen Clown umgebracht.  - Giovanni Papini, Der nicht zurückerstattete Tag. In. G.P., Der Spiegel auf der Flucht (Spiegelfluchten). Stuttgart 1983. Die Bibliothek von Babel Bd. 19, Hg. Jorge Luis Borges

Kopf, fliegender (7) »Mein Bruder«, sagte Valens, »faß mich nicht an, denn sonst zerreißt der Faden an den Bäumen, so als liefe man mit einem Drachen unter Telegraphendrähten hindurch; und ich glaube, wenn das eintritt, muß ich sterben.«

Denn er hatte in einem chinesischen Buch diese Ethnographie eines den Chinesen fremden Stammes gelesen, bei welchem die an einem sich entrollenden Faden befestigten Köpfe zum Beutemachen bis zu den Baumkronen hinauffliegen und sich hernach wieder an ihren blutigen Halsstümpfen festsetzen können. Bloß darf dabei nicht ein bestimmter Wind wehen, sonst flöge der Kopf, wenn der Faden reißt, übers Meer davon. - Alfred Jarry, Tage und Nächte. Roman eines Deserteurs. Frankfurt am Main 1998 (zuerst 1897)

Kopf, fliegender (8)

Kopf, fliegender (9) Ich befand mich in einem von den anmutigen, mit unzähligen schönen Bäumen besetzten Lustgarten, die man in dem persischen Asien Paradiese zu nennen pflegt. Noch nie hatte ich mich so heiter und leicht gefühlt; mich deuchte, als ob ich wie eine Flaumfeder auf einem Wölkchen daherschwimme. Und so war es auch beinahe; denn wie ich mich genauer betrachtete, zeigte sich's, daß ich ein bloßer Kopf mit zwei prächtigen Goldfasanenflügeln war. Ohne mich diese Verwandlung im geringsten befremden zu lassen, flog ich so frei und unbefangen, als hätte ich nie eine andere Art zu sein gekannt, in dem reizenden Paradiese umher und setzte mich endlich auf einen Granatbaum, um mich an den Farben und Wohlgerüchen einer unendlichen Menge der schönsten Blumen zu ergetzen, die dem Boden unter meinen Blicken zu entsprießen schienen. Plötzlich sah ich mich von mehr als tausend gelb-, braun- und schwarzlockigen Flügelköpfen umringt, die von allen Seiten auf mich zugeflogen kamen und über meinen Anblick ganz entzückt zu sein schienen. Die meisten schlössen in einiger Entfernung einen Kreis um mich her, so groß und schimmernd wie ein Regenbogen, wenn die Sonne schon tief im Westen steht. Einige kamen näher herbei, redeten mich an und taten ihr möglichstes, meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und meiner Eigenliebe zu schmeicheln. Die mannigfaltigen Physiognomieen dieser Köpfe, ihre Redseligkeit, das Feuer, womit jeder sich durch das, worauf er sich am meisten einbildete, bei mir geltend zu machen suchte, kurz, alle die lächerlichen Gestalten, in welchen ihre Eitelkeit und Selbstgefälligkeit sich mir zum besten gab, belustigten mich eine ziemliche Weile, zumal da immer neue Köpfe aus dem Kreise herbeiflatterten und die zuvorgekommenen durch allerlei kleine Kunstgriffe zu verdrängen suchten. Nach und nach erkannte ich beinahe alle meine Bekannten unter ihnen; nur nach dir sah ich mich vergebens um. Des schalen Spiels mit so vielen leeren Köpfen endlich überdrüssig, machte ich mich von ihnen los.   - Christoph Martin Wieland, Aristipp und einige seiner Zeitgenossen. Frankfurt am Main 1984 (it 718, zuerst 1802)

Kopf, fliegender (10)   Nukekubi sollen tagsüber wie gewöhnliche Menschen aussehen. Sie geben sich bevorzugt als attraktive Frauen aus, um in der Menschenmenge nicht aufzufallen. Sie verraten sich jedoch durch merkwürdige, rote Male um den Hals und Nacken, die sie durch Schals und hohe Kragen zu verstecken suchen. In der Nacht legt sich ihr Körper zur Ruhe, während der Kopf beginnt, ein Eigenleben zu führen: Während der Körper ruht, löst sich der Kopf gänzlich vom Rumpf und schwebt behände umher, auf der Suche nach schlafenden oder unachtsamen Opfern. Ist ein Opfer gefunden, stößt der Kopf einen schrillen Schrei aus, der das Opfer in eine Schreckstarre versetzt, dann beißt der Nukekubi zu und saugt Blut. Im Gegensatz zum Rokurokubi weist der Nukekubi eine besondere Schwäche auf: Wenn man es schafft, den zum losgelösten Kopf gehörenden Körper zu verstecken, findet der Nukekubi nicht mehr zurück und stirbt bei Tagesanbruch. - Wikipedia

Kopf, fliegender (11)   

Kopf, fliegender (12)  Demonstranten truugen ein Bild des stiernackigen Kopfes mit dem schwammigen Gesicht und der schwarzlackierten Stahlbrille. Der Präsident war kein besonders beliebter Besucher.

Das wußten alle, und vermutlich auch er selbst.

Die Eskorte bewegte sich sehr schnell.

Das erste der Autos mit den Sicherheitsbeamten befand sich schon unter dem Balkon.

Der Sicherheitsexperte lächelte zu Gunvald Larsson hin, nickte beruhigend und begann seine Papiere zusammenzufalten.

Genau in diesem Augenblick brach die Erde auf, praktisch direkt unter dem kugelsicheren Cadillac.

Die Druckwelle warf die beiden Männer zurück, doch wenn man Gunvald Larsson auch vieles nachsagen konnte, schwächlich war er nicht. Er klammerte sich mit beiden Händen an das Geländer und blickte nach oben.

In der Fahrbahn schien ein Vulkan ausgebrochen zu sein, der seine brüllende Feuersäule bis zu 50 Meter in die Höhe schickte.

Auf der Spitze dieser Säule balancierten verschiedene Gegenstände.

Am auffallendsten war die hintere Hälfte des kugelsicheren Cadillac, ein auf den Kopf gestelltes schwarzes Taxi mit blauem Band an den Längsseiten und ein halbes Pferd mit gelb-schwarzem Federbusch am Stirnband, ein schwarzer Stiefel über grünem Uniformstoff und ein Arm mit einer langen Zigarre zwischen den Fingern.

Gunvald Larsson wandte das Gesicht ab, als brennende Gegenstände auf ihn herabzuregnen begannen. Er dachte gerade an seinen neuen Anzug, als irgend etwas schwer und kräftig gegen seinen Brustkorb prallte und ihn der Länge nach hintenüber auf die Marmorplatten des Balkons warf.

Außer einer leichten Prellung hatte er keine Verletzung davongetragen.

Das Brüllen der Explosion ließ nach einigen Minuten nach, und man konnte Jammern, verzweifelte Hilferufe und sogar eine fluchende Stimme hören, bevor die menschlichen Laute in dem Geheul der Sirenen der Krankenwagen und eines Feuerwehrautos untergingen.

Gunvald Larsson erhob sich, um nachzusehen, was ihn zu Fall gebracht hatte.

Das Ding lag vor seinen Füßen.

Es hatte einen Stiernacken und ein schwammiges Gesicht und seltsamerweise saß die Brille in dem schwarzlackierten Stahlgestell noch an ihrem Platz.

Der Sicherheitsexperte kam ebenfalls auf die Füße, offenbar auch unverletzt, auch wenn er einiges von seiner Eleganz eingebüßt hatte.

Er starrte ungläubig auf den Kopf und bekreuzigte sich.

Gunvald Larsson besah sich seinen Anzug. Der war nicht mehr als solcher zu gebrauchen.

«Verdammt», sagte er. Dann betrachtete er den Kopf zu seinen Füßen.

«Vielleicht sollte man den mit nach Hause nehmen», murmelte er vor sich hin. «Als Souvenir.»

Francisco Bajamonde Cassavetes y Larrinaga sah seinen Gast fragend an. Das Wort Souvenir hatte er jedenfalls verstanden. Vielleicht waren die Schweden Kopfjäger.   - Sjöwall / Wahlöö, Die Terroristen. Reinbek bei Hamburg 1979

Kopf, flieg. Kaninchenschlag Handkanten... ~ Abnicken

Kopf, fliegender (13)   Etwas traf mich in die rechte Kniekehle, und mein Bein knickte zusammen, wie es üblich ist, wenn ein Knie an dieser Stelle getroffen wird. Mein Kopf begann, an der Stelle zu. schmerzen, wo der Schlag mit der Waffe ihn treffen würde. Aber er hielt mich zum Narren. Es kam der alte Kaninchenschlag, und in seiner Art war er ein Prachtstück, mit der Kante einer sehr harten, kleinen Hand vollzogen. Mein Kopf flog davon, halbwegs über den See, kehrte um wie ein Bumerang, kam zurück und knallte mit einem betäubenden Krachen auf das Ende meiner Wirbelsäule zurück. Irgendwo unterwegs hatte er den Mund voll Fichtennadeln bekommen. Darauf folgte eine Mitternachtspause in einem kleinen Raum mit geschlosse­nen Fenstern und ohne Luft. Meine Brust wühlte sich gegen den Boden. Sie luden mir eine Tonne Kohlen auf den Rücken. Einer der harten Klumpen preßte sich genau gegen mein Rück­grat. Ich gab ein paar Töne von mir, sie müssen aber unwichtig gewesen sein. Niemand machte sich etwas daraus.  - Raymond Chandler, Mord aus dem Handgelenk. Berlin – Frankfurt 1968

Kopf Fliegen Loslösung
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