ongresshotel Außer
uns tagten damals in Costricana die Splittergruppe »Tiger« der Jugendlichen
Gegenbewegung, die Verleger Befreiter Literatur und
der Streichholzschachtelsammlerverband. Gewöhnlich werden die Mitglieder einer
solchen Gruppe in ein und demselben Stockwerk untergebracht. Doch um mich zu
ehren, hatte mir die Direktion das Appartement im hundertsten Stock gegeben,
weil es einen eigenen Palmenhain hatte, wo Bach-Konzerte stattfanden; das Orchester
war weiblich und vollführte beim Spielen gemeinschaftlich Strip-Tease. Das alles
hätte ich gern entbehrt, aber leider war kein Zimmer frei. Ich mußte also bleiben,
wo man mich einquartiert hatte. Kaum saß ich auf einem Barhocker im Büffet meines
Stockwerkes, da hielt mir schon der stämmige Sitznachbar das schwere beschlagene
Doppelgewehr unter die Nase, das er umgehängt trug. (Von den schwarzen Bartzotteln
des Mannes konnte ich wie von einer Speisekarte alle Mahlzeiten der letzten
Woche ablesen.) Er lachte rauh und fragte, was ich von seiner Päpstlerin hielte.
Ich begriff nichts, aber das wollte ich lieber nicht eingestehen. Bei Zufallsbekanntschaften
ist Schweigen die beste Taktik. Er offenbarte mir denn auch eifrig von selbst,
dieser doppelläufige Stutzen mit Laservisier, Schnelldrücker und Lader sei eine
Waffe gegen den Papst. Unentwegt schwatzend zückte der Bärtige ein geknicktes
Foto; es zeigte ihn selbst, wie er eben auf eine Puppe mit Priesterkäppchen
anlegte. Er behauptete, er sei schon in Höchstform und rüste sich eben zur großen
Wallfahrt nach Rom, um dort den Heiligen Vater vor dem Petersdom abzuknallen.
Ich glaubte kein Wort, doch unter stetigem Geplapper zeigte mir der Kerl ein
Flugbillet mit Buchung, ein Meßbuch, den Prospekt einer Pilgerreise für amerikanische
Katholiken und endlich ein Päckchen Patronen mit kreuzweis geritzten Köpfen.
Aus Ersparnisgründen hatte er nur die Hinfahrt bezahlt, denn er rechnete damit,
von den empörten Wallern in Stücke gerissen zu werden. Diese Aussicht schien
ihn in blendende Laune zu versetzen. Zunächst hielt ich ihn für einen Irren
oder für einen der extremistischen Berufsattentäter, die ja heute nicht selten
sind. Doch auch hier täuschte ich mich. Pausenlos schwatzend und immer wieder
vom hohen Hocker kriechend, um die heruntergerutschte Flinte aufzuklauben, offenbarte
er mir, er sei just ein glühender strenggläubiger Katholik. Die geplante Aktion
(die er »Aktion P« nannte) sei ein besonderes Opfer seinerseits. Er wolle das
Gewissen der Menschheit aufrütteln, und was rüttle daran wohl besser als solch
ausbündige Tat? Was nach der Heiligen Schrift Abraham mit Isaak getan habe,
das werde auch er tun, nur eben umgekehrt, nicht mit dem Sohn, sondern mit dem
Vater, noch dazu mit dem Heiligen, erläuterte er mir. Solcherart beweise er
den höchsten von einem Christen je aufgebrachten Opfermut und liefere den Körper
an die Martern aus, die Seele aber an die Verdammnis, alles nur, um der Menschheit
die Augen zu öffnen.
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Stanislaw Lem, Der futurologische Kongress. Frankfurt am Main 1996
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