örpersprache  Das Aussehen dieses E. T. hat nichts Beliebiges; er ist nicht einfach irgendein bizarres Geschöpf einer phantastischen Laune. Aufs raffinierteste wurde er von Rambaldi und Spielberg auf die einzige dem Menschen verständliche Körpersprache abgestimmt. Er ist ein Balanceakt: menschenunähnlich genug, um als Organismus von einem fremden Stern durchgehen zu können, aber auch ausreichend menschlich, um das unmittelbare Verständnis nicht unmöglich zu machen - ein symmetrisches, aufrecht gehendes, nacktes, sprachfähiges Wirbeltier mit vier Gliedmaßen und oben einem Kopf mit einem »richtigen«, wenn auch zu Herzform verknautschtem Gesicht, eben eine weitere Varietät jener Lebensform, die die Evolution auf der Erde so erfolgreich hervorgebracht hat. E. T. soll mit einem Zehnjährigen Freundschaft schließen: also muß er etwa gleich groß sein, denn Freundschaft schließen Jungs normalerweise mit Gleichaltrigen, und das gleiche Alter drückt sich aus in gleicher Größe. E. T. hat zwei betont große Augen: denn in der menschlichen Körpersprache ist die Möglichkeit zu ständigem Blickkontakt unerläßlich (wenn wir nicht wissen, wo ein Wesen hinsieht, wirkt es unberechenbar und damit bedrohlich). E. T. kann breit lächeln und verfügt damit über das effektivste menschliche Freundlichkeitssignal. Er hat viele Falten in seiner ledrigen, grünbräunlichen Runzelhaut, und die bieten zweierlei Vorteil: Zum einen läßt sich ein faltiges Gesicht viel ausdrucksvoller gestalten als ein glattes (die verwendeten, 1,4 Millionen Dollar teuren Schaumgummipuppen beherrschten 35 verschiedene mimische Bewegungen), zum anderen signalisiert es Alter, und so ist E. T. mit seinen dreihundert Lebensjahren gleichzeitig ein Weltraumkind und ein Erdengreis, und die Freundschaft mit ihm darf gleichzeitig eine Jungenfreundschaft und eine bewundernde Generationenliebe zwischen Enkel und Opa sein.

E. T. hat keine Beine, sondern nur Füße und kann also nur langsam watscheln: denn Beine, so Spielberg, der sich auf dergleichen versteht, machen Angst (was flinke Beine hat, könnte einen rasch angreifen). E. T. ist geschlechtslos: ein unschuldiges Weltraumkind eben noch. E. T. erglüht im Wortsinn seelenvoll. E. T. hat einen Teleskophals: der gibt ihm zuweilen das Aussehen einer »lieben«, fütterungsbedürftigen Schildkröte. E. T. hat auf Spielbergs ausdrücklichen Wunsch einen Bürzel wie Donald Duck: ein zarter Hinweis auf seine Herkunft, und allen Kindern ein Zeichen, daß über ihn auch gelacht werden darf.

So war dieser E. T. eine einzige Kalkulation auf die Zuneigung der Kinder, der kleinen wie der größeren, und sie ist aufgegangen. E. T. erschreckt zunächst ob seiner Fremdartigkeit, aber nicht zu sehr; und da sich mit ihm körpersprachlich anstandslos kommunizieren läßt, kann er seinen liebenswerten Charakter prompt mitteilen. Ein zusätzlicher Effekt kommt ihm zugute: »Er ist ja so häßlich, und er ist ja so hilfsbedürftig!« Das mögen Kinder sehr, wie ihre beständige Zuneigung zu häßlichen Puppen zeigt, zu der zerschlissenen Lumpenpuppe, der alten schwarzen Puppe Golliwog und heute zu den enorm häßlichen und enorm erfolgreichen  Cabbage-Patch-Puppen. Denn es erlaubt ihnen, sich selber überlegen zu fühlen und, so klein sie auch selber noch sind, beschützende, elterliche Gefühle auszuprobieren: »Wenn du mich nicht hättest...«

Der Film »E. T.« verdrängte Spielbergs Projekt »Nachthimmel«, in dem bedrohliche aliens die Erde verunsichern sollten, welche in Rick Bakers Vorentwürfen aussahen wie große, sauertöpfische E.T.s mit Zornesfalte in der Stirn und mürrisch nach unten gezogenen Mundwinkeln. - Dieter E. Zimmer, Experimente des Lebens. Zürich 1989 

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