Klostergalerie   Ich besuchte die Klostergalerie, und obwohl es ein ziemlich großer Raum war, so mußte man doch wie bei der Premiere einer neuen Komödie schon um zwölf Uhr jemand hinschicken, um einen Platz zu belegen. Es wimmelte nur so von Andächtigen. Ich stellte mich hin, wo noch Platz war, und konnte von dort aus die verschiedenen Stellungen der Liebhaber betrachten. Der eine blickte empor, ohne die Augen zu bewegen; der zweite stand da wie ein steinernes Bild auf einem Grabmal, die eine Hand auf den Degen gestützt und in der anderen den Rosenkranz; ein dritter glich mit erhobenen Händen und ausgestreckten Armen einem Seraphim; der vierte riß seinen Rachen weiter als ein Bettelweib auf und ließ, ohne ein Wort zu sprechen, seine Geliebte durch seinen Hals bis zu den Eingeweiden sehen; wieder ein anderer klebte an der Mauer, wurde den Mauersteinen zur Last und schien seine Kräfte an der Zimmerecke messen zu wollen ; jener spazierte wie ein Maulesel auf und ab, gleich als ob man ihn wegen seines Ganges liebgewinnen sollte, ein anderer endlich schien mit einem Briefchen in der Hand locken zu wollen wie ein Jäger seinen Falken mit dem Köder.

Eine andere Gruppe wiederum bildeten die Eifersüchtigen. Einige davon standen im Kreise beisammen, lachten und sahen zu den Nönnchen empor; andere lasen Gedichte und zeigten sie ihnen; dieser wollte sie ärgern und lustwandelte auf der Galerie mit einem Frauenzimmer an der Hand, und jener schäkerte mit einer Magd, die ihm eine Mitteilung gebracht hatte. So ging es unten bei uns Männern zu. Aber üben bei den Nonnen ereignete sich auch allerlei, was sich ebenfalls zu sehen lohnte. Ihre Galerie war ein Türmchen voller Schießscharten und eine Wand mit Durchbrucharbeit, so daß sie wie eine Streusandbüchse oder wie ein Dufttopf aussah. Alle Löcher waren mit Luchsaugen besetzt: hier sah fftan ein Frikassee von Händen und Füßen, dort ein mageres Sonnabendgericht aus Köpfen und Zungen. Nur das Gehirn Anderswo sah man einen ganzen Bauchladen, eine den Rosenkranz, eine andere schwenkte das Schnupftuch, an einer Stelle hing ein Handschuh, und dort lugte eir grünes Band hervor. Einige sprachen laut, andere hüstelter. nur, und noch andere machten Zeichen wie die Hutmachcr. als ob sie Spinnen wegschnipsten, und zischten: pst!

Im Sommer lohnte es sich schon zu beobachten, wie sich die Schmachtfetzen von der Sonne nicht nur wärmen, sondern auch braten ließen, und es gab einen Heidenspaß, die Nonnen so roh und die Buhler so geröstet zu sehen. Im Winter konnte es wohl vorkommen, daß bei der Feuchtigkeit einem von uns Männern Kresse und Unkraut auf dem Leibe wuchsen. Kein Schnee, der uns entgangen, kein Regen, der über uns davongezogen wäre. Und alles geschah doch schließlich nur, um ein Mädchen wie einen Heiligenknochen durch ein Gitter oder Glasfenster anzustarren! Es war so, wie wenn man sich in einen Star im Käfig verliebte, oder in ein Porträt - je nachdem ob man nun zum Sprechen kommt oder ob geschwiegen wird. Die Gunstbezeugungen bestanden bestenfalls in Bewegungen, die nie zu intimen Berührungen führten, oder aber es wurde mit den Fingern geschnippt. Sie drückten die Köpfe an die Gitter und schossen ihre Worte wie Liebespfeile durch die Löcher, kurzum, sie liebten nur verstohlen. Und welche Lust, sie so leise und geziert sprechen zu hören! Einer Alten zuzusehen, die zankte, einer Türhüterin, die befahl, und einer Drehfensterwächterin, die schwindelte!  Das Interessanteste aber war die Eifersucht gegen Frauen außerhalb des Klosters; wie sie beteuerten, daß nur der Nonnen Liebe die wahre Liebe sei.    - Francisco de Quevedo, Das Leben des Buscón. In: Spanische Schelmenromane, Hg. Horst Baader. München 1965

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