Kleider

Die Kleider

Da liegen sie, still und katzenhaft
in der Sonne, nachmittags,
deine Kleider, ausgebeult,
traumlos, wie ein Zufall.
Sie riechen nach dir, schwach,
sehen dir beinah ähnlich.
Deinen Schmutz überliefern sie,
deine schlechten Gewohnheiten,
die Spur deiner Ellenbogen.
Sie haben Zeit, atmen nicht,
sind übrig, schlaff, voller Knöpfe,
Eigenschaften und Flecken.
In der Hand eines Polizisten,
einer Schneiderin, eines Archäologen
gäben sie ihre Nähte preis,
ihre nichtigen Geheimnisse.
Aber wo du bist, ob du leidest,
was du mir immer hast sagen wollen
und nie gesagt hast,
ob du wiederkommst, ob das,
was geschah, aus Liebe geschah
oder aus Not oder Vergeßlichkeit,
und warum dies alles so,
wie es gekommen ist,
gekommen ist,
als es ums nackte Leben ging,
ob du tot bist, oder ob
du dir nur die Haare wäschst,
das sagen sie nicht.

 - Hans Magnus Enzensberger, Die Furie des Verschwindens. Frankfurt am Main 1980 (es 1066)

 

Kleidungsstücke, weibliche

 

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Kleidungsstück