Klasse-Mann   «Rauchen beruhigt gewöhnliche Menschen, aber ich bin kein gewöhnlicher Mensch. Es gibt nicht mehr viele wie mich.» Troy zog die Lippen zurück und entblößte kleine, ebenmäßige Zähne. «Und es ist gut für die Welt, daß es nicht mehr viele gibt. In Amerika wird es ein paar von uns in jeder Generation geben, denn nur ein großes Land wie Amerika kann Männer wie mich hervorbringen. Ich bin kein Denker, ich bin ein Macher. Ich gelte als wenig ausdrucksgewandt, also rede ich viel, um das zu tarnen.

Wenn man ein paar Jahre zurückblickt, findet man, daß Amerika eine ordentliche Anzahl von uns produziert hat. Sam Houston, Jack London, Stanley Ketchel, Charlie Manson - dem bin ich in Bakersfield mal begegnet -, Jack Black. Hast du mal You Can 't Win gelesen, Jack Blacks Autobiographie?»

«Ich habe zeit meines Lebens gearbeitet, Troy. Ich hatte nie viel Zeit zum Bücherlesen.»

«Du meinst, du hast dir nie die Zeit genommen. Ich habe nur ein paar der Männer genannt, die Stil hatten, meinen Stil, obwohl der Vergleich ihnen allen unangenehm wäre. Und weißt du, warum? Sie waren lauter Individualisten, darum. Sie haben alle nach ihren eigenen Regeln gelebt, genauso wie ich. Aber die meisten von uns bringen es in den Todesnachrichten der Wochen Zeitungen nicht auf eine einzige Zeile. Manchmal fuchst einen das.» Troy schwieg für einen Moment, und seine Brauen zogen sich zusammen. «Da gab's mal einen Schriftsteller... komisch, ich kann mich nicht an seinen Namen erinnern.» Troy lachte und schüttelte den Kopf. «Ich komme gleich drauf.. Ich werd einfach so tun, als wollte ich mich nicht mehr daran erinnern; dann fällt's mir schon ein. Jedenfalls, dieser berühmte Schriftsteller meinte, daß Menschen, die in Städten leben, wie Steine in einem Lederbeutel sind. Sie werden aneinander gerieben, bis sie rund und glatt wie Murmeln sind. Wenn sie lange genug im Beutel bleiben, sind keine Ecken und Kanten mehr übrig - das ist damit gemeint. Aber ich hab's geschafft, mir meine Ecken und Kanten zu bewahren. Jeden einzelnen scharfen Grat.

Aber du, Oldtimer, du bist so rund und poliert wie ein Achat. Du lebst seit einundsiebzig Jahren in diesem Beutel, Mann. Sie könnten dich im Fernsehen zeigen, als Musterexemplar des amerikanischen Mannes. Du bist der Sohn eines polnischen Einwanderers, und du hast dein Leben lang für ein gesichtsloses kapitalistisches Unternehmen gearbeitet. Dein Sohn ist ein mickriger Verkäufer, und du hast die typische, unglückliche, sexlose Ehe geführt. Und jetzt: der glorreiche Ruhestand im sonnigen Florida. Das einzige, was noch fehlt, ist ein blinkendes neues Auto in der Einfahrt, das du sonntags waschen und polieren kannst.»

«Ich habe ein Auto, Troy! Einen neuen Escort, aber Maya hat ihn mitgenommen, als sie mich verließ.»    - Charles Willeford, Seitenhieb. Reinbek bei Hamburg 1996

 

Mann, guter

 

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