inoratten  Alles hat angefangen mit einem Sturz ins Wasser.

Im Winter 1955/56 arbeitete Alfred Hitchcock im Studio Saint-Maurice in Joinville an der Nachsynchronisation von To Catch a Thief, dessen Außenaufnahmen er an der Côte d‘Azur gedreht hatte. Mein Freund Claude Chabrol und ich beschlossen, ihn für die Cahiers du Cinéma zu interviewen. Wir hatten uns ein Tonbandgerät geliehen, mit dem wir die Unterhaltung, die sehr ausführlich und genau werden sollte, aufnehmen wollten.

Es war ziemlich finster in dem Studio, in dem Hitchcock arbeitete. Auf der Leinwand lief pausenlos eine Schleife ab, eine kurze Szene mit Cary Grant und Brigitte Auber in einem Motorboot. Im Dunkeln stellten Chabrol und ich uns Hitchcock vor; er bat uns, in der Bar des Studios auf der anderen Seite des Hofs auf ihn zu warten. Wir traten nach draußen, das Tageslicht blendete uns, und während wir mit dem Enthusiasmus echter Kinoratten die hitchcockschen Bilder kommentierten, die wir als erste hatten sehen dürfen, gingen wir geradewegs auf die Bar zu, die da ungefähr fünfzehn Meter entfernt vor uns lag. Mechanisch traten wir beide im gleichen Schritt über den flachen Rand eines zugefrorenen großen Wasserbeckens, das dieselbe graue Farbe hatte wie der Asphalt des Hofes. Das Eis brach sofort, und völlig verdutzt staken wir bis zur Brust im Wasser. Ich fragte Chabrol:

»Was ist mit dem Tonbandgerät?« Langsam hob er den linken Arm und zog den aus allen Löchern triefenden Apparat aus dem Wasser. Die Situation war ausweglos wie in einem Hitchcockfilm. Der Boden des Beckens fiel zur Mitte hin langsam ab, so daß es unmöglich war, an den Rand zu kommen, ohne von neuem abzurutschen. Wir bedurften der helfenden Hand eines Passanten, um herauszukommen. Dann nahm uns eine, wie es schien, mitleidige Kostümbildnerin mit zu einer Garderobe, damit wir uns ausziehen und unsere Kleider trocknen könnten. Unterwegs fragte sie uns: »Na, ihr Armen, ihr seid wohl Komparsen bei Rififi?« »Nein, Madame, wir sind Journalisten.« »Na, dann kann ich nichts für Sie tun.«

Zitternd, in unseren noch tropfnassen Kleidern präsentierten wir uns Hitchcock einige Minuten später von neuem. Er schaute uns an, ohne ein Wort über unseren Aufzug zu verlieren, und war so freundlich, eine neuerliche Verabredung mit uns für denselben Abend im Hotel Plaza Athénée zu treffen.

Ein Jahr später, als er wieder in Paris war, erkannte er Chabrol und mich gleich in einer Schar von Journalisten und sagte: »Meine Herren, ich muß jedes Mal an Sie denken, wenn ich in einem Whiskyglas Eiswürfel aneinanderstoßen sehe.«

Jahre später erst erfuhr ich, daß Hitchcock den Vorfall ausgeschmückt und um ein Finale nach seinem Geschmack bereichert hatte. Der hitchcockschen Version zufolge, die er seinen Freunden in Hollywood erzählte, meldeten wir uns bei ihm nach unserem Sturz in das Bassin: Chabrol als Geistlicher und ich in Polizeiuniform. - François Truffaut, Vorwort zu: François Truffaut, Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? München 1973 (zuerst 1966)

Kinoratte (2)  Lily Gamboll lebte in der Obhut einer Tante. Eines Tages hatte das Mädchen ins Kino gehen wollen, und die Tante hatte nein gesagt. Da nahm Lily eine Fleischhacke, die in Reichweite auf dem Tisch lag, und schlug damit auf die Tante ein. Der Schlag tötete sie. Lily war für ihre zwölf Jahre wohlentwickelt und kräftig.  - Agatha Christie, Vier Frauen und ein Mord. Bern u. München 1991 (zuerst 1951)
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