indesmord
Bei ihren Studien über die Languren von Abu in Rajasthan hatte
Hrdy eine grausige Entdeckung gemacht: Von Affenmännchen verübter Mord an Affenbabys
war an der Tagesordnung. Jedesmal, wenn ein Männchen einen Trupp Weibchen übernimmt,
tötet es alle Säuglinge der Gruppe. Genau dasselbe hatte man einige Jahre zuvor
bei Löwen beobachtet: Wenn mehrere Brüder ein weibliches Rudel erringen, ist
ihre erste Handlung der Mord an Unschuldigen. Wie man in der Folge feststellen
sollte, ist der von Männchen verübte Kindesmord bei vielen Nagern, Fleischfressern
und Primaten gang und gäbe. Selbst unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen,
machen sich dessen schuldig. Die meisten Naturfreunde neigen, genährt durch
eine Diät aus sentimentalen naturgeschichtlichen Fernsehsendungen, zu der Annahme,
sie seien Zeugen einer pathologischen Verirrung. Doch Hrdy und ihre Kollegen
hatten eine andere Erklärung anzubieten. Der Kindesmord, so glauben sie, ist
eine »Adaptation«, eine in der Evolution gewachsene Strategie. Durch den Mord
an seinen Stiefkindern beendet das Männchen die Milchproduktion des Weibchens
und sorgt somit dafür, daß es wieder eher empfängnisbereit wird. Ein Alpha-Männchen
bei den Languren oder ein paar Löwenbrüder haben ihre Führungsposition nur kurze
Zeit inne, und der Kindesmord hilft ihnen, innerhalb dieser Zeitspanne die maximale
Zahl an Nachkommen zu produzieren. -
Matt Ridley, Eros und Evolution. Die Naturgeschichte der Sexualität. München
1995
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