Killerin  »Bis jetzt war das mein Ding. Bin drauf abgefahren, verstehst du? Kannst du dir gar nicht vorstellen.« (Sie hatte wieder angefangen zu weinen, aber nur leicht.) »Das erste Mal war's mein Mann. Da ist mir ein Licht aufgegangen, falls das in deinen Kopf geht. Ich war saublöd, kapierst du? Ein Ingenieur. Fast sieben Jahre war ich mit dem Typ verheiratet. Ein ganz normaler Typ. Wohnsilo in der Banlieue, da unten.« (Aimee machte eine vage Geste ungefähr in Richtung Paris und seiner Vororte, aber vielleicht meinte sie auch eine andere Stadt.) »Ganz normal, der Typ«, wiederholte sie. »Täglich sechs Ricard für sich und eine Tracht Prügel für mich. Normal. Ich hab' nichts gespürt.«

Mit überzeugter Miene nickte sie mit dem Kopf. Und dann erzählte sie plötzlich, wie sie eines Abends aus der offenen Schublade das Tranchiermesser genommen hatte. Dabei war es nicht das erste Mal, daß ihr Mann sie beschimpfte. Im Gegenteil, so ging das schon seit etlichen Jahren. Sie nahm also das Messer so, wie es in dem rechteckigen Futteral aus Pappe steckte, und stieß es ihrem Mann in den Bauch, ohne sich die Mühe zu machen, vorher das Messer aus der Scheide zu nehmen. Den Polizisten und dem Untersuchungsrichter sagte sie, daß der Mann auf das Messer gefallen sei. Sie zögerten nicht allzu lange und glaubten ihr die Geschichte, wenigstens zur Hälfte. Dem jungen Untersuchungsrichter, der sich für besonders scharfsinnig hielt, schien das Detail mit der Scheide von Bedeutung zu sein. Wenn man

jemanden niederstechen will, dann entfernt man die Scheide, behauptete er. Weiter befanden sich auf dem Schaft fast ausschließlich Fingerabdrücke des Mannes, weil er es war, der immer den Braten oder das Geflügel tranchierte und dafür sorgte, daß das Messer scharf war. (Er sagte, die junge Frau sei nicht imstande, das Messer zu wetzen.) Außerdem gab es seitens des Ehemannes keine Schilderung des Sachverhaltes. Obwohl er noch zehn Stunden lebte. Er schien bei Bewußtsein zu sein, machte aber den Mund nicht auf. Anscheinend war er mit anderen Gedanken beschäftigt, bis er schließlich starb. Es wurde keine Anklage gegen die junge Frau erhoben.

»Da ist mir dann ein Licht aufgegangen, verstehst du?« sagte sie zum Baron. »Wir können sie töten. Wir können sie umlegen, die blöden Arschlöcher. Außerdem wollte ich Geld haben, hatte aber keine Lust zu arbeiten.«

»Klar«, sagte der Baron.

»Und außerdem, was ich mache, ist auch Arbeit, verstehen Sie«, sagte Aimée und fing wieder an, den Baron zu siezen.  - Jean-Patrick Manchette, Herz aus Blei. Bergisch Gladbach 1993 (Bastei Lübbe Schwarze serie, zuerst 1977)

Killerin (2)

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