entaur  Im Jahre 1980 waren die Skelette von drei Zentauren »in Argos Orestiko, acht Kilometer nordöstlich der griechischen Stadt Volos«, ausgegraben und die Knochen auf »1300 v. Chr., mit einer möglichen Abweichung von 300 Jahren« datiert worden. Das Kernstück der Ausstellung bildet eines dieser Skelette,

Kentaurenskelett

das auf einem langgestreckten Vitrinentisch zu sehen ist, noch eingebettet in eine Platte aus griechischem Sandstein: unheimlich, wie die Wirbelsäule des Pferdes bruchlos in das gekrümmte Rückgrat des menschlichen Torsos übergeht. Schaut man genau hin, kann man sogar die rostige Spitze des Pfeils erkennen, der das menschliche Herz des Monsters durchbohrte. Der Kurator der Ausstellung, William Willers, ein Künstler und Biologieprofessor an der Universität von Wisconsin in Oshkosh, wird mit der erläuternden Bemerkung zitiert: »Solche Zentauren streiften in den Wäldern Thessaliens umher, bis sie mit menschlichen Pfeilen und Speeren Bekanntschaft machten; danach flohen sie in die Berge, wo Kälte und Hunger den Rest besorgten.« - (wesch)

Kentaur (2) Die kriegerischsten unter den verbliebenen Pelasgern waren die Kentauren von Magnesia, darunter die Clans des Wendehals und des Berglöwen. Sie verehrten auch das Pferd, wahrscheinlich nicht das asiatische Pferd, das Anfang des zweiten Jahrtausends v. Chr. vom kaspischen Meer eingeführt worden war, sondern eine frühere und schwächere europäische Art, das Ähnlichkeit mit dem Dartmoor-Pony hatte. Die Kentauren, unter ihrem Sakralkönig Cheiron, hießen die Achäer als Bundesgenossen gegen ihre Feinde, die Lapithen aus Nordthessalien willkommen. Das Wort »Cheiron« hängt offenbar zusammen mit dem griechischen cheir, »Hand«, und »Kentaur« mit kentron, »Ziege«. In meinem Essay What Food the Centaurs Ate stelle ich die Vermutung an, daß sie sich durch den Genuß des Fliegenpilzes, Amanita muscaria, berauschten, von der hundertarmigen Kröte aßen, von der ein Exemplar, in einen etruskischen Spiegelrahmen geschnitzt, zu Füßen ihres Ahnherrn Ixion zu sehen ist.- (myth)

Kentaur (3) 

Aber Centauren hat's nie und nirgend gegeben. Denn niemals
Können aus Doppelnaturen und doppeltem Körper sich Wesen
Bilden, zumal wenn sie Gliedern von fremder Gattung entstammen,
Deren Kräfte doch ungleich sind bei dem zwiefachen Ursprung.
Selbst ein stumpfer Verstand kann dies nach dem Folgenden einsehn.
Erstlich ein rüstiges Pferd wird, wenn drei Jahre vergangen,
Fertig: nicht also das Kind; denn oftmals wird es auch dann noch
Schlafend die Mutterbrust, die Milch ihm spenden soll, suchen.
Dann, wenn mit nahendem Alter dem Rosse versaget die Vollkraft
Und, wo sein Leben sich neigt, ihm längst schon die Glieder erschlafft sind,
Da erst beginnt der Knabe die blühende Jugend des Lebens,
Und mit wolligem Flaum umkleidet sich männlich die Wange.
Glaube drum nicht, es könnten aus tierischem Samen von Pferden
Und aus Menschen Centauren entstehen und weiter so leben,
Oder Geschöpfe wie Scylla mit ihrem von rasenden Hunden
Rings umgürteten Leib und dem Fischschwanz, oder auch andre
Wesen, bei denen die Glieder so ungleichartig erscheinen,
Die nicht erblühen zur selbigen Zeit, nicht die Kräfte der Körper
Alle zugleich sich gewinnen, zugleich auch im Alter verlieren,
Die auch nicht ähnliche Liebe entflammt, noch die gleiche Gewohnheit
Zu einander gesellt, noch die selbigen Speisen erfreuen.
Kann man doch öfter bemerken, daß bärtige Böcke sich mästen,
Wenn sie Schierling fressen, der Menschen ein tödliches Gift ist.
Da doch ferner die Flamme die goldenen Leiber der Löwen
Ebenso dörrt und brennt wie alles, was sonst noch auf Erden
Körper besitzt von Fleisch und Blut, wie war es denn möglich,
Daß die Chimäre sich setzt aus dreifachem Leibe zusammen,
Vorne als Leu, als Drache am Schwanz, in der Mitte als Ziege,
Und bei solcher Gestalt aus dem Munde schnob flammendes Feuer?
Drum wer meint, in der rüstigen Jugend von Himmel und Erde
Könnten wohl auch derart wahnschaffne Gebilde entstehen,
Und sich lediglich stützt auf das nichtige Wörtchen der Jugend,
Der kann ebensogut viel anderes ähnliches faseln.
Damals, so mag er behaupten, da strömten noch goldene Flüsse
Über das Land und den Bäumen entsproßten da Blüten von Demant,
Oder es gab noch Menschen mit derart wuchtigen Gliedern,
Daß sie die Tiefen des Meers mit Riesenschritten durchmaßen
Und mit den Händen den Himmel im Kreise zu drehen vermochten.
Gab's nun zwar in der Erde zur Zeit, als sie lebende Wesen
Brachte zuerst ans Licht, viel Keime, so fehlt uns doch jedes
Zeichen, daß je Mischformen entstehen konnten von Tieren
Und ein lebendig Geschlecht aus zusammengestoppelten Gliedern.
Mögen auch jetzt noch der Erde in reichlicher Fülle entsprießen
Allerlei Arten von Kräutern und Frucht und die labenden Bäume:
Nimmer können sie doch sich gegenseitig verbinden,
Sondern jegliche Gattung entsteht auf die eigene Weise,
Und das Gesetz der Natur hält alle genau auseinander.

- (luk)

Kentaur (4) Kentaurenwesen vereinen die besten Eigenschaften von Mensch und Tier. Als weise und gastfreundliche Geschöpfe konnten sie große Lehrer sein wie Chiron, der den jugendlichen Achilles unterwies. Trotz ihrer hohen Gesinnung waren sie aber auch sehr lüstern. Tranken die männlichen Kentauren über den Durst, fielen sie zügellos über Frauen her im Bestreben, mit ihnen zu tun, wonach es sie gelüstete. Dürer hat eine bemerkenswert lebhafte Studie des jungen Kentauren Nessos und der wild um sich tretenden Deianeira gezeichnet, die sich nicht einfach so entführen lassen will. Am Wasserzeichen erkennt man, daß das Blatt auf seiner ersten Italienreise, also daß das Blatt auf seiner ersten Italienreise, also um 1494, entstanden ist. Das vom Kopf bis zu den Hufen vitale Paar zeugt von Dürers Kenntnis sowohl antiker Skulpturen als auch der Meisterwerke der italienischen Kunst des fünfzehnten Jahrhunderts. Daß Deianeira das Bein hochzieht und Nessos kräftig an seiner empfindlichsten Stelle in den Bauch tritt, ist vermutlich ein Einfall Dürers.

kantaur

 - Colin Eisler, Dürers Arche Noah. Tiere und Fabelwesen im Werk von Albrecht Dürer. München 1996 (zuerst 1991)

Kentaur (5) 

 Epiphanie

Kentauren, euch hätte ich gar zu gern in natura gesehen
Mit eignen Augen, eh ich mich aus dem Staub mache hier.
Einhörner, Drachen, ihr Harpyien, Sphinxe und Feen,
Könnt mir gestohlen bleiben. Von allem Fabelgetier,
Pferdemenschen, das größte Rätsel seid ihr.

Könnt ihr nicht wiederkehren, könnt ihr nicht auferstehen
Eines Sommertages? Ihr müßt ja nicht wiehern,
Es reicht, wenn einer, von euch aus dem Unterholz bricht.
Zum Beispiel in Griechenland, nachts an der Autobahn
An einer Tankstelle im Scheinwerferlicht.

Doch es gibt keine zweite Chance. Leider, ich weiß ja:
Die Wälder, aus denen ihr treten könntet, sind abgeholzt.
Vorbei der Tanz, der Galopp durchs Dunkel der Peloponnes,
Seit die Fichten gerodet wurden, Material für die Flotten,
Die den Seesieg erkämpften bei Salamis.

Schlußlichter ihr, kaum wart ihr verschwunden, war Schluß
Mit den Göttern. Es blieb nur das ungeheure Geräusch
Knackender Zweige im Regen. Manches erinnert an euch.
So der behaarte Unterarm meines Nebenmannes im Bus,
Schwarz die Putzwolle dort auf der Männerbrust.

Mutanten aus Mutwillen, Herolde ihr aus der alten Welt,
Einmal noch habt ihr Europa besucht unter Dschingis Khan.
Daß der Sturm aus der Steppe die Städte in Atem hält -
Der Mensch mit dem Pferd verwachsen, der mongolische Traum,
War der letzte vor Flugzeug und Eisenbahn.

Nur Texte blieben euch, Vasenbilder und Marmorreliefs,
Mit den Muskeln zu spielen. Nur die unsterblichen Strophen
Von Homer bis Ovid, die euch schildern in freier Wildbahn.
Wer will schon Kentauren gebären wie jener Philosoph?
Was kann ich tun, euch noch einmal zu treffen?

 - Durs Grünbein, in: Berliner Zeitung 25./26.September 2004

Kentaur (6) 

Kentaur

- Tomi Ungerer's Kompromisse. Zürich 1982 (kunst-detebe 26070, zuerst 1970)

Kentaur (7)  Im stählernen Licht des Morgens kreisen ein paar Raubvögel, um sich warm und in Form zu halten, denn zu rauben gibt es so gut wie nichts: Die kleinen Tiere befinden sich in ihren Schlupfwinkeln und die Vögelchen unter anderen, weniger strengen Himmeln, Auf dem Hügelkamm erscheint Oligor mit seiner grauen Tartaren-mütze aus Schaffell. Über dem Unterhemd trägt er einen Pullover und über dem Pullover eine gefütterte Jacke; weiter unten ist er nackt, und der Wind fährt ihm zwischen den Beinen, genauer gesagt den Läufen, hindurch und zerzaust ihm den Schweif. Sein Umriß über dem Umriß des Hügels erinnert vage an antike Friese. Oligor blickt sich in diesem kalten Licht um und trottet dann geräuschvoll über die steilen Geröllpfade zu Tal. Aufgrund seiner doppelten Natur als Pflanzen- und als Fleischfresser ist ihm diese Jahreszeit verhaßt: Von November bis Januar findet sich in dieser Gegend nichts Eßbares außer Kastanien und Äpfeln, und eine reine Apfeldiät führt bei ihm unweigerlich zu einer Art Ruhr, begleitet von Halluzinationen. In der allergrößten Not könnte er vielleicht versuchen, sich von den Blättern der Bäume zu nähren, aber die Blätter der immergrünen Bäume schmecken fast alle bitter.

Ein Zentaur ist zu sehr der Kälte ausgesetzt. In früheren Wintern hatte er versucht, Im Mantel herumzugehen, aber sein Bauch blieb trotzdem unbedeckt - der Bauch oder die Brust, denn es ist nicht ganz klar, wo der Bauch beginnt oder die Brust endet. Sein hinteres Teil ist besser für ein Leben im Freien geeignet, er kann damit den ganzen Tag im Regen stehen, als ob nichts wäre; das Vorderteil aber leidet. Da sich der Mantel nicht bis unten zuknöpfen ließ, hat er versucht, unter dem Pullover noch eine Röckchen aus Schottenwolle anzuziehen, aber mit dieser Art Schürze kam er sich lächerlich vor, unmännlich, so daß er sie wieder ausziehen mußte. Nicht daß er mit anderen Zentauren verkehrt hätte; es ist eine wenig gesellige Rasse und im übrigen so gut wie ausgestorben; doch für Oligor ist die Schicklichkeit ein Wert an sich, und ein Zentaur mit Schürze ist schlechterdings nicht schicklich.  - J. Rodolfo Wilcock, Das Stereoskop der Einzelgänger. Freiburg 1995

Kentaur (8)en , als Hippokentauren halb Mensch halb Pferd, ein Geschlecht von wildester Sinnlichkeit, das immer nach Weiberfleisch lüstern ist und sich im ewigen Weinrausch auf die üppigsten Abenteuer einläßt. Die berühmte Kentaurenschlacht entstand dadurch, daß der Kentaur Eurytos nach den Brüsten der Hippodameia griff.  - (erot)

Kentaur (9)  In Italien siedelten anfangs als Ureinwohner die Ausonen. Der älteste soll ein gewisser Mares gewesen sein, dessen Oberkörper einem Menschen und dessen Unterteil einem Pferde glich. Wie man sagt, bedeutet sein Name in Griechenland „halb Roß, halb Mensch". Ich glaube, jedoch, daß er der erste war, der ein Pferd bestieg und ihm den Zügel anlegte, und daß er daher für zweigestaltig gehalten wurde. Es geht auch die Sage, er habe 123 Jahre gelebt, sei dreimal gestorben und dreimal wieder zum Leben erwacht. Mir aber erscheint dies unglaubwürdig. - (ael)

Kentaur (10)

"Cupid & Centaur in the Museum of Love"

- Joel-Peter Witkin

Kentaur (11)  Mit der Wolke hat Ixion ohne Chariten - das heißt ohne Aphrodite - gezeugt, wie es auch von der Empfängnis des Hephaistos gesagt wurde. Von  seinem Sohn, einem zweigestaltigen Wesen, namens Kentauros, hieß es, er habe die Stuten am Berg Pelion begattet. Das sei der Ursprung gewesen der Kentauren, dieser wilden Waldbewohner, über deren vierbeinigem Pferdeleib sich ein menschlicher Oberkörper erhob. Sie waren die gefährlichen Nachbarn der Lapithen. Diese hatten schwer mit ihnen zu kämpfen, als die Kentauren ihre Frauen rauben wollten.   - (ker)

Kentaur (12)

Kentaur (13)

Kentaur (14, irokesischer)

- Gene Bilbrew

Kentaur (15)

Kentaur (15)

Kentaur (16)

Kentaur, küssender

- Attila Sassy


Fabeltiere Pferd Menschen, gemischte

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Zentaurin
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Synonyme