ennenlernen  Sie müssen jenen Unbekannten, der sich in einer Droschke, bei einem Fest oder im Theater zufällig an Ihre Seite gesetzt hat, ruhig sprechen lassen; Sie brauchen ihn nur anzuhören, um ihn kennenzulernen: Sie werden seinen Namen erfahren, seine Wohnung, seine Heimat, den Stand seines Vermögens, seinen Beruf, den seines Vaters, seine engere und weitere Verwandtschaft, aus welchem Hause seine Mutter stammt und welches Wappen seine Familie führt; er wird Ihnen zu verstehen geben, daß er von Adel ist, ein Schloß besitzt, schönes Mobiliar, Dienerschaft und eine Kutsche.  - (bru)

Kennenlernen (2) Vor langer Zeit lebten ein Mann und seine Frau in Malin Moor, und sie hatten nur eine einzige Tochter. Wie das immer so geht, hüteten sie dieses Kind wie ihren Augapfel. Eines Tages nun ging der Vater Torf stechen nach Rossmore. Als die Mittagszeit kam, schickte die Mutter das Mädchen mit dem Essen hinaus auf das Feld. Sie schickte ihrem Mann eine Brühe in einem hölzernen Geschirr. In diesen alten Zeiten gab es auf dem Land nur hölzernes Geschirr. Es war ein schöner Tag, und der Vater setzte sich am Rand des Moores nieder, um sein Mahl zu verzehren. Er und das Mädchen blickten hinüber zur-See, und es dauerte nicht lange, da sahen sie ein großes Segelschiff, das auf die Mündung des Flußes zusteuerte.

»Ist das nicht ein schönes, großes Schiff«, sagte das Mädchen.

»In der Tat«, erwiderte der Vater.

»Ich würde gern wissen, wo es hinfährt«, sagte das Mädchen.

»Ich würde meinen, es ist auf der Fahrt nach Killybegs.« »Wenn ich es so wollte, würde das Schiff sein Ziel nie erreichen, wie groß es auch sein mag und wie viele Segel es auch setzen kann«, plapperte das Mädchen.

»Du kleine Närrin«, schalt der Vater, »was willst du denn einem Schiff anhaben, das dort draußen auf der See fährt?« Das Mädchen gab keine Antwort darauf. Es wartete, bis ihr Vater mit dem Essen fertig war. Dann nahm sie die Schüssel und ging zu einem Wasserloch im Sumpf, um sie auszuwaschen, und als sie das getan hatte, begann sie mit der Schüssel im Wasser allerlei seltsame Bewegungen zu vollführen. Der Vater hatte sich seine Pfeife angesteckt und achtete nicht weiter darauf, was sie tat. Bald aber sagte sie zu ihm: »Schau nun hin, Vater, und sieh, was ich mit dem Schiff machen kann.« Der Vater blickte hinüber zur See und sah, wie jenes Schiff, das bis dahin auf die Flußmündung zugesteuert hatte, nun geradewegs auf die Klippen unter ihnen zuhielt.

»Wer hat dich das gelehrt?« fragte er. »Meine Mutter«, sagte sie.

»Und was wirst du mit dem Schiff machen, wenn es näher an die Küste herangekommen ist?« »Sobald ich es nahe genug an die Felsen herangelockt habe, werde ich es kentern lassen. Alle Matrosen sollen ersaufen.« »Ich verstehe«, sagte der Vater, »und du sagst also, daß dir deine Mutter solche Hexenstückdien beigebracht hat?« »So ist es in der Tat«, antwortete das Mädchen ausgelassen. Nun, das Mädchen ließ das Schiff frei, und es fuhr wieder hinaus auf die offene See. Es trug die Schüssel heim, und der Vater stellte keine weiteren Fragen und sagte auch nichts, als er abends aus dem Moor zurückkam. Er wusch sich wie immer und legte darauf seine besten Kleider an. In der Nacht verließ er das Haus. Wo immer er hingegangen sein mag, sein Weib und seine Tochter haben nie mehr etwas von ihm gesehen oder gehört. Es ist aber doch seltsam, daß auch sonst kein Mensch mehr etwas von ihm sah oder hörte. Es war, als sei er vom Erdboden verschwunden. - (irm)

Kennenlernen (3) Alice und die Raupe sahen sich eine Zeitlang schweigend an; endlich nahm die Raupe die Wasserpfeife aus dem Mund und sprach Alice mit müder, schleppender Stimme an. »Wer bist denn du?« sagte sie.

Als Anfang für eine Unterhaltung war das nicht ermutigend. Alice erwiderte recht zaghaft: »Ich - ich weiß es selbst kaum, nach alldem - das heißt, wer ich war, heute früh beim Aufstehen, das weiß ich schon, aber ich muß seither wohl mehrere Male vertauscht worden sein.«

 »Wie meinst du das?« fragte die Raupe streng. »Erkläre dich!«

»Ich fürchte, ich kann mich nicht erklären«, sagte Alice, »denn ich bin gar nicht ich, sehen Sie.«

 »Ich sehe es nicht«, sagte die Raupe.

»Leider kann ich es nicht besser ausdrücken«, antwortete Alice sehr höflich, »denn erstens begreife ich es selbst nicht; und außerdem ist es sehr verwirrend, an einem Tag so viele verschiedene Größen zu haben.«

 »Gar nicht«, sagte die Raupe.

»Nun, vielleicht haben Sie diese Erfahrung noch nicht gemacht«, sagte Alice. »Aber wenn Sie sich einmal verpuppen — und das tun Sie ja eines Tages, wie Sie wissen - und danach zu einem Schmetterling werden, das wird doch gewiß auch für Sie etwas sonderbar sein, oder nicht?« »Keineswegs«, sagte die Raupe. »Nun, vielleicht empfinden Sie da anders«, sagte Alice; »ich weiß nur: für mich wäre das sehr sonderbar.«

»Für dich!« sagte die Raupe. »Wer bist denn du ?« Und damit war sie wieder zum Anfang ihrer Unterhaltung zurückgekehrt. Alice war etwas ungehalten darüber, daß die Raupe so überaus kurz angebunden war, richtete sich empor und sagte in sehr ernstem Ton:

 »Ich finde, Sie sollten mir zuerst einmal sagen, wer Sie sind.«

 »Warum?« sagte die Raupe. - Lewis Carroll, Alice im Wunderland (Insel-Bücherei 896, zuerst 1865)

Kennenlernen (4) Ich kenne dich ja überhaupt nicht, hat sie endlich wieder zu reden angefangen, mir gefällt deine Stimme, aber ich weiß nicht, wie du aussiehst, vielleicht hinkst du oder bist krank, Ende. Ich hinke nicht, ich habe zwei gesunde Beine, und bin nicht krank, und abgesehen von ein paar Erkältungen strotze ich vor Gesundheit. Es gibt auch Krankheiten, sagte Elisabella, die man nicht sehen kann wie zum Beispiel von Herz, Leber oder Lungen oder Blutkrankheiten wie Leukämie und andere, die ich nicht erwähnen will, wie Lepra, Pest und andere mehr, Ende. Da täuschst du dich wirklich, ich habe weder die Lepra noch die Pest, ich bin so gesund wie ein Krokodil. Du könntest zum Beispiel, sagte sie, ein alter Mann mit der Stimme eines jungen Mannes sein, siebzig, achtzig oder neunzig Jahre alt, und dann komme ich nach Rom und finde einen glatzköpfigen Achtziger mit weißen Haaren und Runzeln. Ich schwöre dir aber, daß ich ungefähr dreiunddreißig bin und gerade wie ein Laternenpfahl. Wenn ich will, kann ich mich auch in die Lüfte erheben, Ende.

Und wie steht es mit deinen Zähnen? Bist du nicht einer von diesen Typen, die schwarze, krumme und angefaulte Zähne haben? Red mir nicht von den Zähnen, sagte er, sie sind weiß und gesund wie die eines Drachen. Dann komm heute abend wieder auf meine Welle, bis dahin habe ich Zeit zum Nachdenken. Gut, ich funke heute abend und gebe dir weitere Einzelheiten, Es wäre besser, sie warten zu lassen, denkt der Boß. das heißt, überhaupt nicht mehr zu funken, weder heute noch morgen. Ich habe nämlich eigentlich schon genug von all diesem Gerede zwischen Rom und Orvieto.  - (prot)

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