Er legt seinen Hut auf ein kleines Brett unter der Kasse.
»Hast du wenigstens die Reliquie gesehen?«
»Nein. «
»Dann hat sich die Fahrt ja gelohnt. Du hast dir also nicht einmal das Schienbein angesehen?«
»Es ist kein Schienbein, es ist ein Stück vom Schädel des Heiligen. «
»Quatsch, Mann. «
Er gibt kein Antwort.
»Deine Brüder würden sich deiner schämen. «
»Laß meine Brüder, wo sie sind. «
»Das waren keine Pfaffenknechte wie du, das waren noch Männer. «
Er verpaßt ihr eine Maulschelle mitten in die
Fresse und wirft sie mit großen Fußtritten ins verlängerte
Rückgrat raus. - (
lim
)
Die empörte alte Dame aber ließ sich dadurch keineswegs abhalten, ihrem Sohne eigenhändig die Stricke zu lösen und ihr Tun mit lauten Verwünschungen gegen die ›billige Person‹ zu begleiten, die ihren Einfluß zu so schmählichen Akten der Ungerechtigkeit mißbrauche.
Zufällig saß die ›billige Person‹ um diese Stunde in der Teestube nebenan bei ihrer Schale und hörte die ausfälligen Äußerungen der aufgebrachten Alten Wort für Wort mit an. Sie erhob sich von ihrem Platz und trat zornig vor die Sprecherin hin. »He, du alte Magd, was hast du da eben gesagt;« zischte sie.
»Ach, du Allerweltsdirne, du gemeine Gassenbuhlhündin, du bist gerade die Rechte, mich zur Rede zu stellen!« keifte die Alte zurück. Die schmalen Weidenblattbrauen der schönen Pai stellten sich in die Höhe, ihre Augensterne weiteten sich zu runden Kugeln.
»Altes bissiges Reptil, elendes Bettelweib, du wagst es ...» schnob sie ihre Gegnerin an.
»Na, und was ist schon dabei, wenn ich es wage? Du bist noch lange nicht der Mandarin von Yün tschong hsiän!« fiel ihr die Alte schlagfertig ins Wort.
Da war es um die Fassung der schönen Pai geschehen. Sie schnellte vorwärts und krallte sich mit gespreizten Fingern im Schöpf der alten Dame fest, die sich ihrer jüngeren und kräftigeren Gegnerin vergebens zu erwehren suchte.
Mit kochendem Ingrimm sah und hörte es der seiner Bande ledige Polizeimeister
mit an, wie die Ohrfeigen nur so auf die Wangen seiner alten Mutter klatschten.
Da konnte er nicht länger an sich halten. Mit gewaltiger Kraftanstrengung riß
er seinen Holzkragen los und ließ die scharfe Kante mit voller Wucht auf das
Hinterhaupt seiner Feindin niedersausen. Mit geborstener Hirnschale und brechenden
Augen sank die schöne Pai um. - (
raub
)
- (sued)
Keifen (4)
Büttel, welche die Wirtin Hurtig und Dortchen Lakenreißer herbeischleppen.
WIRTIN Nein, du Erzschelm! Ich wollte, ich stürbe, damit du gehängt würdest. Du hast mir die Schulter ganz aus dem Gelenk gerissen!
ERSTER BÜTTEL Die Gerichtsdiener haben mir sie überliefert, und sie soll genug mit Peitschen bewillkommt werden, dafür stehe ich ihr; es sind ihretwegen seit kurzem ein oder ein paar Menschen totgeschlagen.
DORTCHEN LAKENREISSER Bohnenstange, Bohnenstange, du lügst! Komm nur, ich will dir was sagen, du verdammter Schuft mit dem Kaidaunengesicht. Wenn das Kind, womit ich schwanger gehe, zu Schaden kommt, so wäre dir besser, du hättest deine Mutter geschlagen, du Spitzbube von Papiergesicht!
WIRTIN O jemine, daß Sir John doch zurück wäre! Ich weiß wohl, wem er einen blutigen Tag machen würde. Aber ich bitte Gott, daß die Frucht ihres Leibes zu Schaden kommen mag.
ERSTER BÜTTEL Wenn das geschieht, so sollt ihr ein Dutzend Kissen wiederhaben; ihr habt jetzt nur noch elfe. Kommt, ihr müßt beide mit mir gehn; der Mann ist tot, den ihr und Pistol beide unter euch geprügelt habt.
DORTCHEN Ich will dir was sagen, du ausgedörrter Knecht Ruprecht; dafür sollt Ihr mir tüchtig ausgewalkt werden, Ihr Schuft von Blaurock! Ihr garstiger, hungriger Zuchtmeister! Wenn Ihr nicht geprügelt werdet, so will ich keine kurzen Schürzen wieder tragen.
ERSTER BÜTTEL Kommt, kommt, Ihr irrende Ritterin, kommt!
WIRTIN O daß Recht die Gewalt so unterdrücken muß! Nun, aus Leiden kommen Freuden.
DORTCHEN Kommt, Ihr Schelm, kommt, bringt mich vor einen Friedensrichter!
WIRTIN Ja, kommt, Ihr ausgehungerter Bluthund!
DORTCHEN Gevatter Tod! Gevatter Beingerippe!
WIRTIN Du Skelett du!
DORTCHEN Kommt, Ihr magres Ding, kommt, Ihr spitziger Bube!
ERSTER BÜTTEL Es ist schon gut. - Shakespeare, König Heinrich der Vierte
(Zweiter Teil)
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