ausalität    Ein Aufsatz belehrt über das Krebsheilmittel Gedurol: «Die kürzlich erfolgte Meldung über die Erfindung eines neuen Krebsheilmittels ist wieder ein Beweis dafür, wie das Publikum mit ungemein wachsamen Augen jede Wendung in der Krebsfrage beobachtet.» Hier stocke ich. Die Sache ist nicht zu verstehen. Sollte in Polen eine besondere Kausalität herrschen. Die Meldung kann unmöglich aus dem ungemein wachsamen Auge des Publikums entstanden sein. Oder wenn sie daraus entstanden ist, wie kam sie hinein. Ist die Meldung vielleicht selbst eine Krebswucherung am Auge; so könnte man mit Gedurol dagegen vorgehen. - Alfred Döblin, Reise in Polen. München 1987 (dtv 2428, zuerst 1925)

Kausalität (2)  In der Geistesgeschichte hat man den Begriff des Gesetzes häufig dem der Kausalität gegenübergestellt in der Hoffnung, die als zu anthropomorph eingeschätzte Kausalität unterdrücken zu können, da sie kein getreues Spiegelbild der Natur sein könne. Anfang des 20. Jahrhunderts dachten Wissenschaftsphilosophen wie Ernst Mach und Bertrand Russell, jeder Kausalzusammenhang (ein »Sprung«, der ausgehend von einer Ursache auf rätselhafte Weise eine Wirkung produziert) müsse sich über kurz oder lang in ein mathematisch formuliertes Gesetz auflösen lassen. Eine solche Formulierung hätte den Vorteil, das jeweilige Phänomen umfassend zu beschreiben und damit jene Spezies des qualitativen Sprungs zu vermeiden, auf deren Schwäche David Hume bereits im 18. Jahrhundert aufmerksam gemacht hatte und der man sich bis heute nicht völlig hat entledigen können.  - (thes)

Kausalität (3)  Die physikalische Forschung hat klipp und klar bewiesen, daß zum mindesten für die erdrückende Mehrheit der Erscheinungsabläufe, deren Regelmäßigkeit und Beständigkeit zur Aufstellung des Postulats der allgemeinen Kausalität geführt haben, die gemeinsame Wurzel der beobachteten strengen Gesetzmäßigkeit - der Zufall ist.  - Erwin Schrödinger, Was ist ein Naturgesetz? Zürich 1922, nach: Manfred Eigen, Ruthild Winkler: Das Spiel. Naturgesetze steuern den Zufall. München 1985

Kausalität (4)   Vereinfacht gesagt ist es so, dass alles, was wir als einen kausalen Zusammenhang verstehen, vorerst einmal nur ein zeitlicher Zusammenhang ist. Wir sind überzeugt davon, dass wir etwas tun, weil dies und das. Und doch tun wir es nachweislich einmal nur, während oder nachdem dies und das.

Ursprünglich stellte weil nur einen zeitlichen Zusammenhang her. So lautete das Sprichwort: Man muss das Eisen schmieden, weil es heiß ist. Es hieß: Weil der Hund bellt, frisst der Wolf das Schaf. Oder: Sie legte die Trauerkleider nicht wieder ab, weil sie lebte.

Dass weil einmal eine zeitliche Satzverbindung war, erkennt man heute noch ganz einfach am englischen while. Oder an der deutschen Weile. [UND VOR ALLEM AN DER LANGEWEILE DIESER ERKLÄRUNGEN. STREICHEN!!! EVTL. IN DIALOG MIT DER BAUM EINBAUEN.]

Weil mein Zimmernachbar Tag und Nacht stundenlang seine aus England mitgebrachte Freundin bumste, kam ich mit meiner Arbeit gut voran.

Weil ich versuchte, den Wandel von temporalen zu kausalen Konjunktionen zu analysieren - man denke auch an die interessante österreichische Eigenart, weil durch nachdem zu ersetzen -, bumste Benjamin Lee Baumgartner munter die Frau, die er aus England mitgebracht hatte.

Weil die Wände wackelten, tippte ich die Fußnoten in meine Arbeit.

Nachdem ich den ganzen Tag am Schreibtisch saß, konnte ich mir das stundenlange Gebumse anhören.

Nachdem sie stundenlang bumsten, enthält die Frage, wie sich temporale Satzverbindungen mit der Zeit in kausale wandeln, für mich bis heute eine starke erotische Komponente.  - Wolf Haas, Verteidigung der Missionarsstellung. Hamburg 2012

Kausalität (5)  Ursache und Wirkung. - "Erklärung" nennen wir's: aber "Beschreibung" ist es, was uns vor älteren Stufen der Erkenntnis und Wissenschaft auszeichnet. Wir beschreiben besser - wir erklären ebensowenig wie alle rüheren. Wir haben da ein vielfaches Nacheinander aufgedeckt, wo der naive Mensch und Forscher älterer Kulturen nur zweierlei sah, "Ursache" und "Wirkung", wie die Rede lautete; wir haben das Bild des Werdens vervollkommnet, aber sind über das Bild, hinter das Büd nicht hinausgekommen. Die Reihe der "Ursachen" steht viel vollständiger in jedem Falle vor uns, wir schließen: Dies und das muß erst vorangehen, damit jenes folge, -aber begriffen haben wir damit nichts. Die Qualität, zum Beispiel bei jedem chemischen Werden, erscheint nach wie vor als ein "Wunder", ebenso jede Fortbewegung; niemand hat den Stoß "erklärt". Wie könnten wir auch erklären! Wir operieren mit lauter Dingen, die es nicht gibt, mit Linien, Flächen, Körpern, Atomen, teilbaren Zeiten, teilbaren Räumen -, wie soll Erklärung auch nur möglich sein, wenn wir alles erst zum Bilde machen, zu unserem Bilde! Es ist genug, die Wissenschaft als möglichst getreue Anmenschlichung der Dinge zu betrachten, wir lernen immer genauer uns selber beschreiben, indem wir die Dinge und ihr Nacheinander beschreiben. Ursache und Wirkung: eine solche Zweiheit gibt es wahrscheinlich nie - in Wahrheit steht ein Kontinuum vor uns, von dem wir ein paar Stücke isolieren; so wie wir eine Bewegung immer nur als isolierte Punkte wahrnehmen, also eigentlich nicht sehen, sondern erschließen. Die Plötzlichkeit, mit der sich viele Wirkungen abheben, führt uns irre; es ist aber nur eine Plötzlichkeit für uns. Es gibt eine unendliche Menge von Vorgängen in dieser Sekunde der Plötzlichkeit, die uns entgehen. Ein Intellekt, der Ursache und Wirkung als Kontinuum, nicht nach unserer Art als willkürliches Zerteilt- und Zerstücktsein, sähe, der den Fluß des Geschehens sähe, - würde den Begriff Ursache und Wirkung verwerfen und alle Bedingtheit leugnen.   - Friedrich Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft

 

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