atzentod
Auf dem Grenzwall seines eigenen Territoriums biß jemand
Deep Purple mehrmals in den Hals. Daraufhin stürzte er von der Mauer in den
Garten. Doch er war, bemerkenswert für sein hohes Alter, nicht sofort tot. Nachdem
der Mörder, vom erfolgreichen Abschluß seiner Arbeit überzeugt, seines Weges
gezogen war, passierte etwas, was fast einem Wunder gleichkam. Purple kam offenbar
trotz des enormen Blutverlustes wieder zu sich und machte sich einige Gedanken
über seinen Sterbeort. Ob dies zutraf oder ob es die Folge einer Geistesverwirrung
war, jedenfalls kroch und taumelte er wieder nach Hause zurück, zu seinem über
alles geliebten beziehungsweise gehaßten Postbeamten. An der Rückfront der Garage
angekommen, nahm er die schwerste Hürde. Denn in diesen Verschlag Marke Eigenbau
konnte man nur durch eine kleine, aus den Ziegelsteinen unterhalb des Wellblechdaches
herausgebrochene Öffnung gelangen. Also setzte Deep Purple zum letzten Mal in
seinem Leben zu einem riskanten Sprung an. Er sprang aus dem Stand zwei Meter
hoch, das Fünffache seiner Körperlänge. Und es klappte. Er zwängte sich durch
die Öffnung, ließ sich in die Garage fallen, rappelte sich wieder auf und wankte
zu der Harley. Von Schmerzen gefoltert, kletterte er die Maschine hoch und blickte
auf dem frisch gewichsten Ledersattel wie trunken umher.
Unterdessen war ihm kalt geworden, so kalt, als würde ihm niemals wieder
warm werden. Er verstand nicht, was und wieso es passiert war. Oder doch? Hatte
er einen Fehler gemacht? Wußte er den Grund für den blutrünstigen Anschlag?
Kannte er seinen bestialischen Mörder? Fragen... Fragen über Fragen, auf die
es wahrscheinlich nie eine Antwort geben würde.
Plötzlich kippte er um. Wie ein angeschossener Elefant in der Savanne brach
Deep Purple auf dem schwarzen Leder zusammen und streckte alle Viere von sich.
- Akif Pirinçci, Felidae. München 1990 (zuerst 1989)