artenlegen So verschiedenartig nun auch der lächerliche Hokuspokus ist, den auch noch die heutigen Kartenleger der alten Schule anwenden, so ist doch die Bedeutung der Karten noch immer ziemlich durchgreifend dieselbe alte geblieben.

Die Grundlage bilden die vier Farben. Danach bedeutet:

Grün: Betrübnis, Krankheit und Verdruß, besonders mit Geistlichen, was besonders bei dem grünen As der Fall ist.

Rot: Liebe, Verlöbnis, Hochzeit. Das rote As ist besonders glückbringend.

Ecker: Glück, gute Freunde, gutes Auskommen, Geschenke. Besonders bedeutet das Eckerdaus Geschenke; die Zehn bares Geld, das man bekommen soll.

Schellen: Falschheit, Betrug, Mißgunst. Schellenas und Zehn bedeuten zu erwartende Briefe.

Neben dieser Grundbedeutung der Farben gelten die Könige für hohe Gönner, die Oberbuben für weniger einflußreiche Personen und Gönner, die Unterbuben für gewöhnliche Herren ohne besondere Bedeutung. Die Zehnen sind in allen Farben Weiber, die Neunen Witwen, die Sieben junge Mädchen. Die Achten und Sechsen haben keine besondere Bedeutung.  - (ave)

Kartenlegen (2)  Begonnen hatte ich damit, daß ich Tarockkarten irgendwie aneinanderlegte; ich wollte sehen, oh es mir gelingen würde, eine Geschichte herauszuholen. So entstand Die Geschichte vom Unschlüssigen, ich schrieb sie auf; ich suchte nach anderen Kombinationen mit denselben Karten; ich begriff, daß die Tarocks eine Konstruktionsmaschine für Erzählungen sind; ich dachte an ein Buch, stellte mir eine Rahmenhandlung vor: stumme Erzähler, Wald, Gasthaus; mir kam die höllische Versuchung, alle Geschichten zu evozieren, die in einem Tarockspiel stecken können.

Ich dachte, so etwas wie ein Kreuzworträtsel zu konstruieren, das aus Tarocks an Stelle der Buchstaben, aus piktographischen Erzählungen an Stelle der Worte bestand. Ich wollte, daß nur Geschichten mit einem klaren Bedeutungsgehalt daraus hervorgehen sollten, daß ich Freude daran haben würde, sie zu schreiben beziehungsweise nachzuschreiben, falls es klassische Geschichten wären. Es gelang mir bei den visconteischen Karten, weil ich als erste die Geschichten von Roland und Astolf zusammenstellte und mich für die anderen damit zufriedengab, sie so aufzubauen, wie sie sich aus den übriggebliebenen Karten ergaben. Dieselbe Methode hätte ich auch bei den Marseiller Tarocks anwenden können, aber ich wollte auf keine der erzählerischen Möglichkeiten verzichten, die mir diese so grob gezeichneten und rätselhaften Karten boten. Die Marseiller Tarocks gaben mir eine Anregung nach der anderen, und jede Geschichte war darauf aus, sämtliche Karten für sich zu beanspruchen. Ich hatte schon den Unschlüssigen geschrieben, der eine Menge Karten erforderte; ich hatte mir einen Shakespeare-Pastiahe vorgenommen mit Hamlet, Macbeth, König Lear; ich wollte Faust, Parsifal, Ödipus und noch so viele andere bekannte Geschichten nicht verlieren, die ich in den Tarocks erscheinen und verschwinden sah; und ebensowenig noch zusätzliche Geschichten, die mir wie zufällig untergekommen waren: doch sie alle steuerten auf dieselben, die dramatischsten und suggestivsten Karten zu.

So verbrachte ich meine Tage damit, das Puzzle immer wieder von neuem zusammenzusetzen, dachte mir andere Spielregeln aus, skizzierte einige hundert quadratische, rhombische, sternförmige Schemata, und immer gab es wichtige Karten, die draußen blieben, und überflüssige, die mittenhinein gerieten. Und die Schemata wurden derart kompliziert (bekamen eine dritte Dimension, wurden kubisch, polyedrisch), daß ich mich selber darin verlor. Um aus dieser Sackgasse herauszukommen, verzichtete ich auf alle Schemata und schrieb die Geschichten nieder, die schon eine Form hatten, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie sich in das Maschenwerk der anderen einfügen würden oder nicht. Aber mir wurde klar, daß das Spiel nur dann einen Sinn hatte, wenn es sich auf unverrückbare Regeln gründete; eine umfassende, zwingende Konstruktion war nötig, aus der sich die Verquickung einer Geschichte mit den anderen ergab, sonst war alles vergebens. Zu bemerken wäre noch, daß nicht alle Geschichten, die ich durch Aneinanderreihung von Karten visuell aufbauen konnte, ein befriedigendes Resultat brachten, wenn ich sie niederschrieb. Da waren welche, die mir  überhaupt  keinen  Schreibimpuls  gaben; ich mußte  sie fallenlassen,  sonst hätten sie mir das Stilniveau verdorben. Und da waren andere, die sich bewährten und augenblicklich die Haftfähigkeit des geschriebenen Wortes erlangten, das sich nicht mehr von der Stelle bewegen läßt, wenn es erst einmal dasteht.

Dann gab ich es plötzlich auf, ließ alles stehen und liegen und widmete mich anderen Dingen. Es war doch aberwitzig, noch mehr Zeit an ein Vorhaben zu vergeuden, dessen Möglichkeiten ich untersucht hatte und das nur in der Theorie, als Hypothese einen Sinn hatte. Einen Monat lang, vielleicht auch ein ganzes Jahr lang dachte ich überhaupt nicht mehr daran. Dann kam mir auf einmal der Gedanke, daß ich es ja auf eine andere Weise versuchen könnte, die einfacher und schneller war und einen sicheren Erfolg versprach. Und wieder konstruiere ich Schemata, verbessere sie, kompliziere sie: wieder verirre ich mich in diesen Wanderdünen, kapsle mich ab in einer manischen Obsession. Manchmal wache ich nachts auf und stürze zum Schreibtisch, um eine entscheidende Korrektur vorzunehmen, die eine endlose Reihe von Umstellungen bedingt. Andere Male gehe ich mit der Erleichterung zu Bett, die einzig wahre Formel gefunden zu haben; und kaum wache ich morgens auf, zerreiße ich sie. - Italo Calvino, Nachbemerkung zu: I. C., Das Schloß, datin sich Schicksale kreuzen. München 1987

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-  Kliban

Zeichendeutung Weissagung

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