arteikarte
Ich verbrenne die alten Fotos, die alten Briefe, die Karteikarten und Register
meines Vaters. Einige lese ich, bevor ich sie verbrenne.
Vom medizinischen Standpunkt aus ist das tägliche Leben
manchmal ein Abgrund, wenn Sie verstehen, was ich
meine. Da ist zum Beispiel die Karte eines Typs, der an einem Sonntagmorgen
kam, gut angezogen und so. Ein kleiner Alter, der wollte sich einen Füller aus
dem After ziehen lassen. Hat behauptet, er habe sich aus Versehen draufgesetzt,
bis er dann unter lauten Schluchzern seine Perversionen beichtet — niemand hat
ihn danach gefragt — und flehend darum bittet, man möge den Gegenstand so schnell
wie möglich da rausholen, damit Frau und Tochter nichts merken, man möge bitte
das Ding jetzt gleich herausziehen, solange die beiden
noch in der Kirche sind. Oder der andere, der verhaftet worden ist, ein geborener
Perversling. Ich lese seine komplette Beichte, schon auf der Schule hat er angefangen:
»Ich diene meinen Mitschülern als Frau und verschlucke alle ihre Ausscheidungen«,
hat er notiert. Wurde Urinschlucker,
dann ziemlich Maso. Mit dreißig läßt er sich die Adern, die den Penis
mit Blut füllen, unterbinden; Erektionen interessieren ihn nicht mehr. In der
Zeit vor seiner Verhaftung lag das höchste der Gefühle für ihn darin, sich mit
Fleischerhaken unter den Schultern aufhängen und sich die Eier, die er massenweise
mit Phono-Nadeln gespickt hatte, bearbeiten zu lassen. Ich erfinde
rein gar nichts. Über seinen Fall gab es Berichte in medizinischen Fachzeitschriften,
die man nachschlagen könnte. Aber was solls? Ins Feuer damit wie das übrige
Zeug. Mit dem Gehstock meines Vaters stochere ich in der Asche herum.
- Jean-Patrick
Manchette, Rette deine Haut, Killer. Bergisch Gladbach 1990 (zuerst 1971)