Kapitel, fehlendes  Ganz recht, Sir - hier fehlt ein ganzes Kapitel - und im Buch ist eine Lücke von zehn Seiten entstanden - doch weder ist der Buchbinder ein Narr, Schlitzohr oder Gimpel - noch ist das Buch deswegen um ein Jota weniger vollkommen (wenigstens in dieser Hinsicht) - sondern im Gegenteil, das Buch ist ohne das Kapitel vollkommener und vollständiger, als es mit ihm wäre, wie ich Ew. Ehrwürden auf folgende Weise darlegen werde - En passant werfe ich zuerst noch die Frage auf, ob sich dasselbe Experiment mit allerlei anderen Kapiteln nicht ebenso erfolgreich anstellen ließe — aber das Experimentieren mit Kapiteln, mit Ew. Ehrwürden Wohlnehmen, führt zu keinem Ende — wir haben schon zuviel davon gehabt - Und damit hat die Sache ihr Bewenden.

Aber bevor ich mit meiner Darlegung beginne, möchte ich Euch noch mitteilen, daß das Kapitel, so ich herausgerissen, und welches Ihr alle ansonsten statt dieses itzt lesen würdet, - die Beschreibung vom Ausritt und der Reise meines Vaters, meines Onkels Toby, Trim's und Obadiah's zur Visitation in ***** enthielt.

Wir wollen die Kutsche nehmen, sagte mein Vater - Bitt' Ihn, ist das Wappen geändert worden, Obadiaht? - Meine Geschichte würde ungemein gewonnen haben, hätte ich Euch zu Anfang erzählt, daß es damals, als das Wappen meiner Mutter dem der Shandys hinzugefügt und die Kutsche anläßlich von meines Vaters Hochzeit neu gemalt wurde, so ausgefallen war, daß der Kutschenmaler, entweder weil er alle seine Arbeiten mit der linken Hand ausführte wie der Römer Turpilius, der Maler Teichwal oder Hans Holbein aus Basel - oder weil sein Kopf nicht minder linkisch war als seine Hand - oder endlich weil nun einmal alles, was unsere Familie betraf, die Neigung besaß, linkisch auszufallen - Genug, es fiel zu unserer Schmach so aus, daß statt des rechtslaufenden Schrägbalkens, welcher uns seit der Regierung von Harry dem Achten schicklicherweis zukam — ein linkslaufender Schrägbalken, dank einer der obgenannten Widrigkeiten, quer über das Shandy'sche Wappenschild gezogen ward, 's ist schier unglaublich, daß das Gemüt eines so verständigen Mannes, wie mein Vater war, von einer solchen Nebensächlichkeit derart inkommodiert werden konnte. Das Wort Kutsche - gleichviel wessen - oder Kutscher, oder Kutschpferd, oder Kutschenmiete, konnte in der Familie niemals ausgesprochen werden, ohne daß er sich verläßlich beklagte, daß er dieses Schandmal der Illegitimität auf seinem eignen Kutschenschlag führen müsse; bei keiner Gelegenheit brachte er es über sich, die Kutsche zu besteigen oder zu verlassen, ohne sich umzudrehen, um das Wappen zu betrachten und zugleich zu geloben,.dies sei nun wahrhaftig das letzte Mal, daß er seinen Fuß hineinsetze, bis der linkslaufende Schrägbalken entfernt wäre - Aber wie die Türangel, so war auch dies eines der vielen Dinge, worüber die Parzen in ihren Büchern verfügt hatten - sie sollten ewig bemäkelt (auch in verständigeren Familien als der unsrigen) - doch nie gebessert werden.  - Laurence Sterne, Leben und Ansichten des Tristram Shandy, Gentleman. Übs. Michael Walter. Frankfurt am Main 2010

 

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