aiserin     Zwei Kameen mit Claudius und Messalina, die von zwei Drachen bewacht werden, zufolge, hat die Kaiserin ein außerordentlich rundes Gesicht, rund wie eine Brust oder all das, was eine Kraft schwellt; der Mund verschlingt, obwohl winzig, das ganze Gesicht, weil die Muskeln der Kinnbacken überaus kräftig, wie für den Rachen eines Tieres entwickelt sind; weite Nüstern und die Nase der Cleopatra, ein Erbe von Marcus Antonius, ihrem Urgroßvater (zuweilen vererbt die geprägte Liebe eines Liebhabers den Kindern der rechtmäßigen Gemahlin die Züge der Mätresse). Insgesamt nicht schön; doch nur deshalb, weil das Feuer der Augen im toten Sardonyx erloschen ist. Und ist Schönheit nicht eine Mode? Oder vielmehr, ist eine Form, die schön genannt wird, etwas anderes als ein Gefäß für die Leidenschaft, das sogar gesprungen sein darf, denn dann ist es besonders transparent!  - (mes)

Kaiserin (2)  Gestern habe ich in Schönbrunn vor der Kaiserin Maria Theresia concertiret und es dränget mich, Dir die Impressionen, welche ich hierorts empfangen habe, mitzuteilen. Die aller effectvollste impression erzeugte mir im übrigen die Kaiserin Selbsten, die eine ungemein körperhaftige Person ist, so daß ich nicht weiß, mit wem ich Sie vergleichen soll^auf daß Du Sie Dir recht imaginiren möchtest. Unsere Köchin Mitzi ist dagegen lediglich eine Bohne. Die Kaiserin trägt so ausschweifende Brüste vor sich her, daß sie sie mit ihren Kaiserlichen Händen erst auseinander drücken mußte, um mich, wie ich so Mein vor ihr stand, notiren zu können. Außerdem besitzt sie einen extravaganten Bauch. Du erinnerst Dich sicherlich noch an die Korpulenc unserer Mitzi, bevor Ihr der Liebe Gott Zwillinge schenkte, was sie zu unserem Erstaunen in ihre natürliche Figur zurückversetzte. Aber das ist, verglichen mit unserer geliebten Kaiserin, gar ein Wind. Unser lieber Vater declarirete mir den Casus später in der Herberge dahin, daß nur die Höchste Medicinische Kunst des Leibmedicus Van Swieten ein solches Miracul zu bewirken vermöchte. Auch besitzt unsere Kaiserin so Extraordinaere Gliedmassen, daß ich sehr an den animalischen Park unseres Hochfürstlichen Bischofs in Salzburg gemahnt wurde, specialiter an den Incrediblen Elephas Indicus, der so große Publicitaet erlangte. Auch physiogno-misch descendiret die Kaiserin alles, was sich die Untertanen irgendwo in der Provinc einbilden möchten. Sie hat Wangen, die der Mensch nur mit Äpfeln compariren kann, dergestalt rubricirete, daß das Rot des Investiments unseres Bischofs erblassen müßte. Ihr Atem ist sehr laut. Ich habe derohalben jene Porcionen des italienischen Ciavirstückes, die piano zu spilen vorgegeben wird, dem Fort aproximiret, wie mich die Kaiserin post ludum auch darin belobigte, daß ich trotz meiner Infantilitaet schon so kräftig und vernehmlich musiciren könne. Mein Lebtag werde ich nicht vergessen, mit welcher Intensitaet sich die Hochwürdige Kaiserin medio ludo schneuzete, nachdem Ihr einer der Circumsedenten Ministeren einen Nasenlappen darreichte. Propter respectionem machte ich bei dero Kaiserlichen Actionen eine Pause, was die Erlauchte aber zu einem Gütigen »Avant mon eher Wolfgang« veranlaßte, so daß ich später sine interruptione fortfuhr.

Die Kaiserin übertrifft auch bezüglich der Zahl Ihrer Kinder alle Mütter im Reich. Besonders ein gewisser Sohn, der uns als Joseph vorbestellet wurde, hat mich nachhaltig beeindrucket. Er ist von einer hervorragenden Vitalitaet. So solvirete sich mein Erstaunen darüber, daß die Majestaet oft sehr vergnüglich kicherte, dahin, daß selbiges nicht ein effect meines Delectirenden Spiles, sondern eine Production des Kitzelens Josephi war, der sich unter den Röcken Seiner Mutter etabliret hatte.

Teures Nannerl, Du mußt noch sehr viel essen und Dich futuro nicht so gegen die Mahlzeiten Mitzis sperren, wenn Du jemals ein ansehnliches Weibsbild von der Proporcion unserer Kaiserin werden sollst.

Dieses aber wünscht sehr Dein Dich liebender Bruder Wolfgang Amadé.  -  Alois Brandstetter, Überwindung der Blitzangst. München 1974 (dtv sr 27, zuerst 1971)

Kaiserin (3)  Theophano wurde aus ihrem Gefängnis herausgeholt und auf ein Schiff verfrachtet, wo man sie kahlschor und in ein Nonnenkleid steckte. Der Ort, wo dieses Schiff anlegen sollte, wurde geheimgehalten. Über Theophano erfuhr man später, daß sie den Nonnen, die sie aufgenommen hatten, so viel Ärger bereitete, daß sie wiederholt von einem Kloster ins andere übersiedeln mußte. Wo immer sie sich aufhielt, zerschlug sie Geschirr und zerstörte Besteck und Küchengerät, und manchmal zerriß sie sogar die heiligen Paramente. Spuren ihrer Aufenthalte finden sich in vielen Chroniken dieser Klöster, wo ihre Untaten verzeichnet wurden, zu denen auch häufige Raufereien mit Schlagen, Kratzen und Anspucken anderer Nonnen zählten. Zu ihrer teilweisen Entlastung sagte man, daß ein Zöllner-Dämon, der vor dem Eingang des Himmels auf sie lauerte, Anstifter und Beaufsichtigter ihrer Handlungen sei.  - Luigi Malerba, Das griechische Feuer. Berlin 1991 (zuerst 1990)

Kaiserin (4)

 

Kaiser

 

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