Käsemesser   Der Autodidakt fragt mich, glaube ich. Ich wende mich ihm zu und lächle ihn an. Nun? Was hat er? Warum kauert er sich auf seinem Stuhl zusammen? Ich flöße jetzt also Angst ein? Das mußte so enden. Übrigens ist mir das egal. Sie haben nicht ganz unrecht, Angst zu haben: ich spüre, daß ich alles mögliche tun könnte. Zum Beispiel dieses Käsemesser dem Autodidakten ins Auge bohren. Danach würden alle diese Leute auf mir herumtrampeln, mir die Zähne mit Fußtritten ausschlagen. Aber das ist es nicht, was mich zurückhält: Blutgeschmack im Mund an Stelle dieses Käsegeschmacks, das macht keinen Unterschied. Nur, es müßte eine Bewegung gemacht werden, es müßte ein überflüssiges Ereignis hervorgerufen werden: er wäre zuviel, der Schrei, den der Autodidakt ausstoßen würde - und das Blut, das über seine Wange laufen würde, und das Aufschrecken all dieser Leute. Es gibt schon genug Dinge, die einfach so existieren.

Alle sehen mich an; die beiden Vertreter der Jugend haben ihr süßes Gespräch unterbrochen. Die Frau hat den Mund offenstehen wie ein Hühnerarsch. Sie müßten doch sehen, daß ich harmlos bin.

Ich stehe auf, alles dreht sich um mich. Der Autodidakt starrt mich mit seinen großen Augen an, die ich nicht ausstechen werde.

«Gehen Sie schon?» murmelt er.

«Ich bin ein wenig müde. Es war sehr nett, daß Sie mich eingeladen haben. Auf Wiedersehen.»

Im Weggehen bemerke ich, daß ich das Dessertmesser in der linken Hand halte. Ich werfe es auf meinen Teller, der anfängt zu klirren. Ich gehe inmitten von Schweigen durch den Raum. Sie essen nicht mehr: sie sehen mich an, ihnen ist der Appetit vergangen. Wenn ich auf die junge Frau zuginge und «Huh!» machte, würde sie anfangen zu heulen, das ist sicher. Es lohnt sich nicht.   - Jean-Paul Sartre, Der Ekel. Reinbek bei Hamburg 2004 (zuerst 1938)

 

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