äfer  Ein gewisser Ignaz Jezower war ein Mann, mit dem ich mich bald anfreundete. Jezower hatte Geld, lebte in einem Vorort und beschäftigte sich mit Literatur. Zeitwellig arbeitete er in dem alten Berliner Verlag von Richard Bong. Er kam aus Polen und sprach von seiner Frau stets in der dritten Person mit Vor- und Zunamen. Er fragte niemals:  «Haben Sie meine Frau gesehen?» sondern: «Haben Sie Trude Jezower gesehen?» Oder er sagte: «Trude Jezower wird uns jetzt Kaffee machen. Langen Sie nur zu, Herr Grosz; Trude Jezower hat diesen Kuchen erst gestern abend gebacken!»

Es klang wie eine barocke, eigenwillige Form. Ignaz trug graue Gehröcke, wie sie kaum noch Mode waren, dazu rosafarbene Hemden und graue Gamaschen. Es lag etwas Biedermeierhaftes in dieser grauen Tracht, als hätte Ignaz zur Zeit Jean Pauls oder E.T.A. Hoffmanns gelebt. Er wirkte wie ein großer, grauer Käfer. Die tief heruntergehenden Gehrockschöße hätten tatsächlich Flügel sein können — aber keine Vogelflügel, sondern Insektenflügel, Käferflügel. Er sah manchmal aus, als ob er zu einem Kostümfest gehen wollte oder sich verkleidet hätte, um etwas zu verstecken. Merkwürdig.

Vielleicht war es auch nicht so merkwürdig. Denn er hatte ja wirklich einiges zu verstecken... - George Grosz, Ein kleines Ja und ein großes Nein. Sein Leben von ihm selbst erzählt. Reinbek bei Hamburg 1986, zuerst 1955

 

Kleinvieh

 


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