Juwelier  Sie machen eine seltsame Handbewegung und bitten einen abseits, als ob sie ein Staatsgeheimnis zu offenbaren hätten, das aufs engste mit dem Allgemeinwohl in Verbindung steht. Sie stoßen einen bedeutungsvoll und vertraulich mit dem Ellenbogen an, sie zwinkern einem zu wie ein Jude oder ein Pfandldher und verfolgen einen wie italienische Meuchelmörder. Nähert sich aber zufällig der blaue Rock eines Polizisten, wie schnell sind sie bemüht, so auszusehen, als sei ihnen alles gleichgültig, was um sie her geschieht, wie schlendern sie weiter, als ob sie in aller Muße ihre Schritte heimlenkten zu ihrem lieben Weib und ihrer Familie.

In der ersten Zeit, als mich eine dieser geheimnisvollen Personen ansprach, meinte ich, er sei nicht ganz gescheit, und lief weiter, um ihm zu entkommen. Aber er heftete sich an meinen Schatten, bis ich mich, erstaunt über sein Benehmen, umwandte und stehenblieb.

Es war ein kleiner, schäbiger alter Mann in einem unansehnlichen Rock und Hut. Mit der Hand fingerte er in seiner Westentasche herum, als suche er nach einer Karte mit seiner Adresse. Als er sah, daß ich stehenblieb, machte er ein Zeichen nach einer dunklen Ecke an der Mauer in der Nähe. Da ich ihn für einen heimtückischen Straßenräuber hielt, wandte ich mich wieder weg und ging eilig weiter. Aber obwohl ich mich nicht umschaute, hatte ich doch das Gefühl, daß er mir folgte, und so blieb ich abermals stehen. Der Bursche machte jetzt ein so geheimnisvolles und bedeutsames Gesicht, daß ich mir einzubilden begann, er käme mit irgendeiner warnenden Mitteilung. Vielleicht bestand eine Verschwörung, die Liverpooler Docks in die Luft zu sprengen, und er war ein Schutzengel, der mir meine Flucht ermöglichen wollte. Ich entschloß mich herauszubekommen, wer er war. Mit aller Vorsicht folgte ich ihm in den Torbogen eines Lagerhauses. Dort blickte er ängstlich um sich, dann zeigte er mir vorsichtig einen Ring und flüsterte: „Für einen Schilling kannst du ihn haben, es ist reines Gold - ich hab ihn in der Gosse gefunden. Pscht! Nicht reden! Gib mir das Geld, und er ist dein."

„Mein Lieber, mit so etwas handle ich nicht", erwiderte ich. „Ich brauche Ihren Ring nicht."

„Brauchst du nicht? Dann nimm das!" flüsterte er in heftig zischender Wut, und von einem Schlag gegen die Brust stürzte ich zu Boden, während der niederträchtige Schmuckhändler sich aus dem Staube machte. Dieser Handel ging mit einer büromäßigen Fertigkeit vonstatten, die mich überraschte.  - Herman Melville, Redburn. Seine erste Reise. In: H. M., Redburn. Israel Potter. Sämtliche Erzählungen. München 1967 (zuerst 1849)

 

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