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Mein Vater, Advokat in Frankfurt, ist der strengste
und zugleich eigentümlichste Mensch gewesen, den ich in meinem Leben kennen
gelernt habe. Er übte das Recht der väterlichen Gewalt über mich im härtesten
Sinne aus. Ja, er wollte sogar einmal das alte Privilegium der Reichsstadt Frankfurt,
das die Strafgewalt des Vaters über den Sohn bis auf eine Zuchthausstrafe ausdehnt,
gegen mich geltend machen. Ich entfloh seiner mir unerträglich gewordenen Herrschaft
im Alter von siebzehn Jahren. Gott ist mein Zeuge, daß ich diesen wichtigen
und für meinen Vater kränkenden Schritt nicht leichtfertig getan habe! Ich trennte
mich schon aus selbstischen Gründen schwer von der schönen reichen Mainstadt,
weil ich dort ein schwärmerisch von mir verehrtes Mädchen, Mariane genannt,
meine erste Geliebte, zurücklassen mußte. Ich trennte mich aber auch darum schwer
von meinem elterlichen Hause, weil ich sah, daß es meinem Vater während dieser
Revolutionskriegszeit, die Frankfurt ständig bedrohte, recht schlecht erging
und er mich kaum auf Akademien schicken und zweckmäßig unterstützen konnte.
Indessen, ich wollte lieber draußen in der Fremde allein auf mich gestellt nur
von Wasser und Brot in der Hauptsache leben, was ich denn auch über zwei Jahre
durchgeführt habe, als länger in schmählicher sklavischer Abhängigkeit von meinem
Vater sein. Ich begab mich an die Universität nach Jena, wo ich mich mit glühender
voller Seele der Philosophie in die Arme warf. Denn ich empfand zu jener Zeit
noch einen so heftigen inneren Widerwillen gegen die Rechtswissenschaften, von
dem ich mich offen gestanden noch heute nicht ganz frei gemacht habe, daß es
mir undenkbar erschien, wie einer sich gerne mit dieser trockenen, an das Tatsächliche
gehefteten Gelehrsamkeit befassen mochte. Sogar meinen Söhnen habe ich samt
und sonders stets ein Grauen vor der Juristerei beigebracht, so daß sich nur
einer von ihnen, und zwar der am wenigsten begabte dritte Sohn Eduard später
zum Rechtsstudium entschließen konnte. - Anselm von Feuerbach, Merkwürdige
Verbrechen. Frankfurt am Main 1993 (Die Andere Bibliothek 98, zuerst 1828 f.)
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