Junggesellenessen   Die futuristische Küche nimmt sich vor, die Fehler zu vermeiden, die das Junggesellenessen charakterisieren:

1) Die unmenschliche Einsamkeit, die als Verhängnis einen Teil der Lebenskräfte des Magens aussaugt.
2) Das lastende Schweigen grüblerischen Nachdenkens, das die Speisen verpestet und mit Blei beschwert.
3) Das Fehlen lebendigen und gegenwärtigen menschlichen Fleisches, das unentbehrlich ist, um den Gaumen des Menschen im Grenzbereich des tierischen Fleisches zu halten.
4) Die unvermeidliche Beschleunigung im Rhythmus der Kinnladen, die vor der Langeweile fliehen.

In einem mit Luftbildem und Luftskulpturen der Futuristen Tato, Benedetta, Dottori und Mino Rosso geschmückten Saal werden auf einem Tisch, dessen vier Beine aus Ziehharmonikas bestehen, auf klingenden Tellern, die am Rand mit Glöckchen besetzt sind, Porträt-Speisen vorgestellt:

1) Blonde Porträt-Speise: ein gutes Stück Kalbsbraten, darin eingegraben zwei lange Pupillen aus Knoblauch in einem Gewirr aus geraspeltem und gekochtem Kohl und grünen Salatblättchen. Ohrgehänge aus roten, mit Honig beschmierten Radieschen.
2) Porträt-Speise des braunen Freundes: aus Mürbeteig wohlgeformte Backen - Schnurrbart und Haare aus Schokolade - große Augäpfel aus Schlagsahne - Pupillen aus Lakritze. Ein gespaltener Granatapfel als Mund. Wohlversehen mit einer Krawatte aus Kaldaunen in Brühe.
3) Porträt-Speise der nackten Schönen: in einem kleinen Kristallgefäß, mit Milch frisch von der Kuh gefüllt, zwei gekochte Kapaunenschenkel, das Ganze mit Veilchenblättern bestreut.
4) Porträt-Speise der Feinde: sieben Nougatwürfel aus Cremona, auf jedem ein kleiner Essigbrunnen, an einer Wand eine große Glocke aufgehängt. - Rezept des futuristischen Luftpoeten MARINETTI - (mar)

Junggesellenessen (2)  Im Eßzimmer erwartete mich ein wunderbares Mahl. Mein Junggesellenleben war vornehmlich mit zwei Beschäftigungen ausgefüllt: lesen und essen. Neben der Bibliothek war das Eßzimmer mein ganzer Stolz. Der Frauen überdrüssig und ein wenig von der Gicht geplagt, blieb mir als angenehmes Laster nur noch die Schlemmerei. Ich pflegte allein zu speisen, während mir ein Sklave Beschreibungen ferner Länder vorlas. Ich hatte nie so recht verstanden, wie man in Gesellschaft speisen konnte. Und wenn ich, wie bereits erwähnt, die Frauen leid war, so wird man verstehen, daß ich die Männer geradezu verabscheute.

Zehn Jahre waren seit meiner letzten Orgie vergangen! Seitdem widmete ich mich meinen Gärten, meinen Fischen, meinen Vögeln und hatte keine Zeit mehr auszugehen. Nur hin und wieder machte ich an sehr warmen Abenden einen Spaziergang am Ufer des Sees. Ich genoß seinen Anblick, wenn er bei Einbruch der Nacht von Mondlichtschuppen bedeckt war. Aber das war auch wirklich alles, und manchmal vergingen Monate, bis ich mich wieder dorthin begab.  - Leopoldo Lugones, Der Feuerregen. In: L. L., Die Salzsäule. Stuttgart 1984 (Die Bibliothek von Babel 15, Hg. Jorge Luis Borges)

Essen Ernährungsverhalten Junggeselle

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