agdschein Baader besaß, was man zu dieser Zeit in Deutschland den Jagdschein nannte, eine Bestätigung des Gerichts, daß er für seine Handlungen nicht verantwortlich war. So mußte man ihn, nachdem man ihn auf die Polizei geschleppt hatte, wieder gehen lassen.
Baader warf Hunderte von Zetteln von der Galerie der Nationalversammlung in Weimar auf die Abgeordneten herab. Diese Handzettel, auf denen ein unverständlicher Text stand - etwas von weißen Pferden und vom Dadaismus - schwebten leise auf die Köpfe der deutschen Volksvertretung. Die Abgeordneten erhoben sich von ihren Sitzen und haschten nach den Zetteln. Die Diener suchten nach dem Schuldigen, aber er entwich.
Dies war die größte Propaganda, die der Dadaismus jemals erhielt. Wir alle waren ohne Hemmungen, aber Baader hatte die wenigsten.
Ich hörte von Baader während meiner ganzen amerikanischen Zeit nichts, bis
dann bei Wittenborn das Buch »Dada poets and painters« erschien. Baader war
empört, weil man ihm, wie er sagte, nicht genug Raum gegeben, und seine Bedeutung
unterschätzt hätte. Er wollte uns verklagen, aber wir hörten niemals etwas vom
Gericht. Es fehlte ihm das Geld. Er lebte zuletzt in einem Altersheim, einem
früheren Schloß in Süddeutschland. Als er starb, erschienen Artikel in deutschen
Zeitungen, die seine merkwürdigen Taten beschrieben. In diesen Berichten vergaß
man jedoch eine wesentliche Episode. Er übernahm den Betrieb eines Lesepultes,
›Lehrer Hagedorns Lesepult‹. Dieses Lesepult (ich habe es nie gesehen und weiß
nicht einmal, ob es existierte) spielte eine Zeitlang eine große Rolle in unseren
Publikationen. Es wurde auch im ›Dadaco‹ erwähnt,
der Veröffentlichung, die Kurt Wolff plante, die aber nie zustande kam, weil
sie wegen der zahllosen farbigen Reproduktionen den Verlag dem Bankrott ausgeliefert
hätte. - Richard Huelsenbeck,
Reise bis ans Ende der Freiheit. Autobiographische Fragmente. Heidelberg 1984
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