Irrfahrt   Es war ein seltsamer Nebel, kreisende, quirlende Säulen, die sich aus den Sümpfen emporwanden und in wallenden, durchsichtigen Schleppen auseinanderflossen. Das Mondlicht flimmerte in den Myriaden von silbrigen Pailletten, die in den Volants der luftigen Stufenröckchen hingen, die sich heimlich verflüchtigten, in der Dunkelheit verwehten und ein Stück weiter als neue tanzende Säulen in einer neuen, schwankenden Beleuchtung auf dem schwarzen, spiegelnden Wasser wieder auftauchten, sich neigend, erschlaffend, sich mehr und mehr zerfasernd und ineinander verschlingend. Diese stumme Aufforderung zum Tanz der weißen Gespenster in dem grenzenlosen Ballsaal, der abwechselnd erhellt und jäh in das bleiche Dunkel der Rampenlichter und Girandolen getaucht wurde, die in den Kulissen der pechschwarzen Nacht aufleuchteten und wieder erloschen, hätte uns bezaubert, wäre nicht das Fährboot, auf dem wir zur Nachtpatrouille ausführen, quer durch diesen weiten Raum geschickt worden, um nach einem trügerischen Boot zu suchen, das noch keiner von uns erblickt hatte. Opphoff hatte es mit dem sicheren Instinkt des Kahnführers und seinem feinen Schmugglergehör an einem flüchtigen Plätschern ausgemacht.

»Es muß ein ganz dicker Kahn sein«, versicherte er uns. »Und zwar einer aus Eisen. Da sind 'ne Menge Leute drin. Die Idioten ahnen nicht, daß ich sie zählen kann. An den Rudern sind sie zu viert. Sie rudern wie Anfänger. Da, horcht mal hin, ich kann sie hören...«

Er stakte unser Boot vorwärts und schob uns lautlos zwischen den gesichtslosen Tänzern durch. Die unwirklichen Paare drehten sich unbeirrt im Kreise, ließen sich durchschneiden, ohne sich deshalb zu trennen, und atmeten so schwer, daß wir fühlten, wie sich ihr Hauch gleich dem Kuß des Todes auf unsere Lider legte. Wir zwängten uns zwischen sie, und wenn wir sie streiften, zogen wir feuchte Fetzen hinter uns her, die wie lange, zerrissene Schleier in unser Kielwasser tauchten. Aber so sehr wir auch-die Ohren spitzten, wir hörten nichts, und mit dem Morgengrauen, das unsere Träumereien und das nächtliche Zauberspiel in eine dicke Erbsensuppe zusarnmenrührte, hüllte sich alles in Trauer.

Jeden Morgen kehrten wir unverrichteter Dinge - und vor allem enttäuscht und frierend - zurück, aber jeden Abend fuhren wir bei Einbruch der Dunkelheit fröstelnd wieder los. Keiner spottete über Opphoff und seine Säuferhalluzinationen oder über seine fixe Idee, ein Geisterschiff zu verfolgen, und keiner kümmerte sich um die Richtung, die er einschlug, denn sobald wir auf dem Wasser waren, begannen die Geheimnisse der Sümpfe uns wieder zu umgaukeln wie am Abend zuvor, und unser betörter Nachen tanzte in einer verrückten Irrfahrt mitten hinein in den Walzer der zärtlichen und schweigsamen Luftgespenster, die umherwirbelten, als hätten wir sie aufgescheucht; ein phantastischer Tanz, ein Hexensabbat in einem Aussätzigenhaus...

Opphoff, der aufrecht am Heck unseres Bootes stand, seine lange Stange fest umklammernd, sah aus wie ein finsterer Magier.   - (cend)

 

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